Es klingt wie ein schlechter Witz: Das deutsche
Gesundheitswesen krankt. Laut einer Erhebung der Gewerkschaft ver.di fehlen an
deutschen Kliniken insgesamt etwa 80.000 Pflegefachkräfte. Grund genug für
Personalplaner, sich proaktiv um neue Mitarbeiter zu bemühen und mit Anreizen zu locken.
Neben der Bindung von Mitarbeitern ist deren Gewinnung zu einem wichtigen und permanenten Thema bei den Verantwortlichen avanciert, dem viel Zeit und Mühe gewidmet wird. Ressourcen, die eigentlich anderen Aufgaben wie der Dienstplanung zukommen sollten.
Für viele Pflegebereiche sind personelle Untergrenzen in der Besetzungsplanung definiert. Im klinischen Bereich regelt beispielsweise die Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung (PpUGV), wie viele Patienten maximal auf eine Pflegekraft entfallen dürfen. In unserem Blog-Beitrag PpUGV 2022: Neues Jahr, neue Bereiche finden Sie Hintergrundinfos und aktuelle Sollzahlen. Der Artikel aus dem Vorjahr PpUGV 2021: Was ist neu? beschäftigte sich bereits mit Kritik an der PpUGV und der derzeit diskutierten Alternative PPR 2.0.
Zuweilen treibt die Personalnot traurige Blüten. Da parkt dann schon mal ein Transporter vorm Klinikausgang, auf dessen Flanken Stellenangebote im Konkurrenzklinikum offeriert werden. Oder man animiert Mitarbeiter zum Scouten von Talenten und zahlt „Kopfprämien“ für das Abwerben von Pflegekräften.
Natürlich existieren auch weniger kontroverse Methoden zur Mitarbeitergewinnung.
Vereinzelt bieten Krankenhausträger ihren Mitarbeitern den Erwerb akademischer Pflegequalifikationen an, um deren Wunsch nach beruflicher Weiterbildung zu entsprechen und ihre Motivation zu steigern.
Präsenz auf Jobmessen zu zeigen reicht auch bei der Nachwuchsförderung nicht mehr aus. Kreativität ist gefragt. So laden beispielsweise Bewerberbusse in Fußgängerzonen zu einem unverbindlichen Informationsgespräch zwischen potentiellen Azubis und Mitarbeitern der entsprechenden Klinik ein.
Ein überraschend simples und erfolgreiches Modell: Nicht wenige Interessenten verlassen den Bus mit einem Ausbildungsvertrag in der Tasche. Auch Praktikanten werden über solche Wege für das Unternehmen gewonnen.
Das Anwerben von Pflegekräften aus dem Ausland stellt ein weiteres Beispiel für vorausschauende Personalplanung dar. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) bezeichnet diese Möglichkeit sogar als „unverzichtbar“ bei der Aufgabe, dem steigenden Bedarf an Pflegefachkräften zu begegnen. Und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) reiste im vergangenen Jahr bis ins Kosovo und nach Mexiko, um dort Fachkräfte im Pflegebereich zu umwerben. Viva la Pflege!
Während der Arbeitgeber-Service der Arbeitsagentur für die Suche nach geeigneten Mitarbeitern aus dem Ausland mit dem Internationalen Personalservice der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) kooperiert, knüpfen Personalplaner auch direkte Kontakte über Netzwerke, kooperieren mit Projektpartnern in den Heimatländern der Interessenten oder werben diese gleich vor Ort an.
Die Kandidaten stammen aus unterschiedlichsten Herkunftsländern. Osteuropa erfreut sich besonderer Beliebtheit, da sich unter den Bewerbern viele Fachkräfte mit Studienabschlüssen finden. Kandidaten aus Serbien, dem Kosovo und Albanien, aber auch Ungarn und Rumänien stehen auf der Wunschliste der Recruiter ganz oben.
Die Projektpartner vor Ort fungieren als Dienstleister, Ausbilder und Vermittler. In vielen Fällen organisieren sie noch vor dem Wechsel nach Deutschland Sprachkurse und schulen die Fachkräfte, damit diese ihre Fachkenntnisprüfung in Deutschland ablegen können, bevor sie ihre Arbeit im Gesundheits-/Pflegebereich antreten. Die Regel ist dies jedoch nicht.
Auch im Jahr 2021 hat sich an dem in diesem Artikel beschriebenen Pflege(fach)kräftemangel nichts geändert. Im Gegenteil: Umfragen zufolge erwägt jede dritte Pflegekraft, den Job zu wechseln, falls sich an den Arbeitsbedingungen nichts ändert. Mehr dazu erfahren Sie in unserem Blog-Beitrag Macht die Pflege endlich attraktiv!
Allerdings werfen die Zugangsvoraussetzungen der neuen Mitarbeiter so oder so große Probleme auf. Die Anerkennungsverfahren der Ausbildungsabschlüsse dauern zu lange und auch die Erteilung von Arbeitserlaubnissen wird oft durch allzu viel Bürokratie verkompliziert.
Sind diese Hürden erst genommen und haben die neuen Mitarbeiter noch keine vorbereitenden Kurse durch Projektpartner absolviert, beginnt die Anlernphase durch teilweise ohnehin schon überlastetes Personal im Vollzeitmodus.
Vorausschauende Personalentwickler entwickeln im Vorfeld einen Integrationsleitfaden und bitten beim Stammpersonal um Toleranz und Nachsicht. Hier und da hilft auch ein Integrationsbeauftragter bei der Eingliederung ins deutsche Arbeitsleben.
Man organisiert Sprachkurse für die ausländischen Mitarbeiter und integriert sie in die bestehenden Teams und Arbeitsabläufe. Kein einfaches Unterfangen, das aber dank der Bemühungen beider Seiten meist gelingt.
Viele Arbeitgeber fühlen sich auch außerhalb des Dienstalltags verantwortlich für ihre neuen Mitarbeiter aus dem Ausland. Zum Beispiel, indem sie diesen beim Eröffnen eines Girokontos oder bei der Wohnungssuche helfen. Gelegentlich mieten Unternehmen sogar Wohnungen an und vermieten diese weiter, weil ihnen bekannt ist, dass viele Wohnungseigentümer vor ausländischen Mietern zurückschrecken.
Kinder freuen sich, wenn sie beim Schulwechsel ein bekanntes Gesicht unter den Mitschülern entdecken. Die Vertrautheit sorgt für Sicherheit in dieser ungewohnten Situation. Ebenso ist es für ausländische Mitarbeiter tröstlich, sich nach der Arbeit, möglicherweise aber auch währenddessen in ihrer Heimatsprache austauschen zu können.
Engagiert beispielsweise ein Klinikum gleich mehrere neue Mitarbeiter aus demselben Ursprungsland, werden diese sich vermutlich gerade in der Anfangszeit in Deutschland weniger fremd und verloren fühlen. Ein entscheidender Wohlfühlfaktor für Menschen, deren Familie in der Heimat zurückbleiben musste und die auf einen Neuanfang in Deutschland hoffen.
Das Zusammengehörigkeitsgefühl entwickelt sich leider manchmal in die falsche Richtung. Besteht die halbe Station über Nacht aus bulgarischen, indischen oder eben mexikanischen Hilfskräften, die untereinander ausschließlich in ihrer Landessprache kommunizieren, entsteht beim Stammpersonal ein Gefühl der Überfremdung. Auch dies ist Alltag im Pflegebereich und eine Herausforderung für den Personalverantwortlichen.
Teamzugehörigkeit und ein gutes Betriebsklima sind wichtige Faktoren, wenn es um die Motivation von Mitarbeitern geht. Empfinden diese ihre Tätigkeit als sinnvoll, werden sie von Kollegen und Vorgesetzten wertgeschätzt und identifizieren sie sich mit dem eigenen Unternehmen im Sinne der New Work, erleichtert dies nicht nur das tägliche Miteinander, sondern auch die Organisation des Ausfallmanagements.
Doch was, wenn dieses Problem umschifft wurde und der Ausländerbehörde auffällt, dass diese Gruppe ausländischer Mitarbeiter eines Klinikums ihren offiziellen Integrationskurs noch absolvieren muss?
Dann werden schon mal
kurzfristig für alle gleichzeitig Kurstermine angesetzt und den Mitarbeitern
Sanktionen bei Nichterscheinen angekündigt. Der Dienstplan wird bei diesem
Vorgang ebenso wenig berücksichtigt wie der Urlaub der Betroffenen.
Natürlich ist das Erlernen der Landessprache und -kunde ein
fester Bestandteil der Integration. Niemand wird dies ernsthaft bestreiten. Und
es ist normal, dass ein Mitarbeiter der Ausländerbehörde keine Ahnung von der
Komplexität einer Dienst- bzw. Schichtplanung im Pflegebereich hat. Ein wenig Vorlaufzeit und
Handlungsspielraum – auch für die Personalplaner - wäre allerdings an dieser
Stelle wünschenswert.
Vorlaufzeit ist übrigens ein gutes Stichwort. Alle Jahre wieder steht Weihnachten als dienstfreie Zeit ganz oben auf der Wunschliste der Mitarbeiter im Schichtbetrieb. Auch wenn deren Bezug zur Kirche schwinden mag: Im Abendland reißt man sich nicht darum, ausgerechnet die Weihnachtsschichten zu übernehmen.
Ironie am Rande: Auch die von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn angeworbenen mexikanischen Kollegen sind in diesem Punkt keine große Hilfe. Denn sie wurden ja gerade wegen ihrer kulturellen Nähe (gemeint ist die Tatsache, dass Mexikaner in der Regel katholisch sind) für das deutsche Gesundheits- und Pflegesystem gewonnen.
Wie schön, wenn sich da einer der neuen, muslimischen
Kollegen zum Diensttausch anbietet, weil ihm Heiligabend schnuppe ist.
Vielleicht denken seine neuen Kollegen an ihn, wenn sie bei ihren Familien
unterm Weihnachtsbaum sitzen. Oder beschenken ihn zum Dank mit Selbstgebackenem.
Für manche zwischenmenschlichen Dinge erübrigt sich der Integrationskurs
nämlich.
Doch wie steht es um die Kollegialität, wenn besagter Kollege zum Ende des Ramadan seinerseits um einen Diensttausch bittet, um mit seiner Familie und seinen Freunden das Fest des Fastenbrechens zu feiern? Und besagte Schicht mit dem Fernsehabend der Abendländer kollidiert? Leider beißt sich die Toleranz bisweilen an deren Bequemlichkeit die Zähne aus.
Gerade das Gesundheits- und Pflegewesen kann aber ohne Mitarbeiter aus dem Ausland nicht mehr aufrechterhalten werden. Dennoch bleiben langjährige und neue Kollegen einander fremd, scheinen für viele Menschen sprachliche, religiöse und kulturelle Unterschiede oft allzu groß zu sein. Und der Fernsehabend zu verlockend.
Im allgemeinen Konsens baut das Respektieren von fremden Religionen und Lebensweisen Brücken zwischen Menschen. Das Berücksichtigen ihrer Gebräuche stellt daher gerade für neue Mitarbeiter aus fernen Ländern und Kulturkreisen einen Bezug zu ihren neuen Kollegen, ihrem Arbeitgeber und dem Land dar, in dem sie künftig zu leben und zu arbeiten beabsichtigen.
Keinem Verantwortlichen käme in den Sinn, Weihnachten bei
der Erstellung des Dienstplans wie einen normalen Arbeitstag zu behandeln, nur
weil er persönlich nicht gläubig ist und dieses Fest nicht begeht. Warum also
nicht auch das Zuckerfest mit einplanen, das die türkischstämmige Kollegin gerne
im Kreis ihrer Familie verbringen möchte? Wenn sie doch ein
gleichberechtigtes Mitglied des Personalstabs ist, sollten nicht nur der
Planer, sondern auch die Mitarbeiter daran mitwirken, ihr diesen kleinen
Gefallen zu erweisen.
Und bevor nun jemand den Abendländer in sich entdeckt und
reklamiert, dass wir uns immer noch in Deutschland befinden, wo deutsche Feste
gefeiert werden und so weiter: Erstens sind deutsche Feiertage oftmals gar
nicht so urchristlich wie man gemeinhin denkt. (Allerheiligen zum Beispiel
basiert auf einem heidnischen Fest.) Und zweitens ist soziales Miteinander –
gerade im Kollegenkreis – nirgendwo in Stein gemeißelt. Ein wenig ideologische
Flexibilität schadet nicht.
Als Frauen begannen, sich auch in zuvor verpönten oder gar verbotenen Männerberufen auszubilden, pochten ihre männlichen Kollegen auf der „abendländischen Tradition“, Nackte-Frauen-Kalender aufzuhängen und ihr „kleines Geschäft“ weiterhin im Stehen zu verrichten.
Die Kalenderblätter sind weitgehend verschwunden – unter
anderem, weil sie bisweilen von frivol abgebildeten Kalenderblatt-Männern unterwandert
wurden, welche die neuen Kolleginnen im Sinne der Gleichberechtigung
aufhängten. Auch die Toilettenbrille wurde von vielen Männern als neues Feature
goutiert. Man stelle sich vor: es gibt sogar eigene Frauentoiletten!
Die befürchteten Auswirkungen sind ausgeblieben. Es wurde kein Fall bekannt, wonach Männer nach dem Bau von Damentoiletten plötzlich in Frauenkleidung zur Arbeit erschienen. Und erstaunlich wenige Mitarbeiter laufen wegen des neuen Kollegen aus Surinam, dem wir so skeptisch gegenüberstehen, zum Hinduismus über.
Veränderung und neue Eindrücke sind nämlich eigentlich gar nicht so übel. Charmante und tatkräftige Kolleginnen auch nicht. Oder welche aus dem Ausland und aus einem fremden Kulturkreis. Wenn alle Beteiligten sich nicht nur um Toleranz, sondern auch kulturellen Austausch bemühen, - wer weiß? -, können sich sogar neue Horizonte öffnen. Wie erwähnt, ist Offenheit dabei keine Einbahnstraße.
Ob Weihnachten, Ramadan, Sabbat oder Familienfeste: Eine perfekte Dienstplanung erfordert nicht nur Umsicht des Personalverantwortlichen, sondern auch die Mitwirkung der Mitarbeiter. Frühzeitig geäußerte Wünsche können im Online-Dienstplaner biduum® der SIEDA GmbH vermerkt und im Dialog mit Mitarbeitern abgestimmt werden. Auch die Beantragung und Genehmigung von Urlaub sowie die Zeiterfassung sind bereits integriert. biduum® ist vor allem für kleinere und mittlere Unternehmen geeignet. Probieren Sie es doch einfach mal aus!
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Der obige Blog-Artikel basiert auf Praxisberichten von Klinik- und Pflegekräften. Uns als Dienstplan-Spezialisten interessieren Ihr tägliches Arbeitsumfeld und dessen Herausforderungen nämlich.
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