Lange wurde daran gefeilt und getestet, darüber gestritten und blockiert, nun aber ist sie endlich da: Die neue Pflegepersonalregelung (PPR 2.0) ist seit 1. Juli 2024 als neues Instrument zur Ermittlung des Pflegepersonalbedarfs in der Krankenhauspflege eingeführt.
Die PPR 2.0 und die ihr zugrunde liegende Pflegepersonalbedarfsbemessung in der stationären Krankenpflege (PPBV) fanden erst nach mehreren Anläufen im Bundesrat eine Mehrheit, weil einige Bundesländer – allen voran Bayern - im Abstimmungsprozess Bedenken bezüglich ihres Nutzens äußerten.
Die SIEDA bietet Kliniken und Krankenhäusern eine Lösung für die Umsetzung der PPR 2.0. Das Modul PPBV (PPR 2.0) der Dienstplan-Software OC:Planner hilft bei der Quartalsmeldung an das InEK (Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus GmbH) und der PPR 2.0-gemäßen Dienstplanung.
Bayern zeichnet denn auch zusammen mit Hessen und Schleswig-Holstein für mehrere Maßgabe-Änderungsanträge verantwortlich, die der Bundesregierung zur Zustimmung vorliegen. Darin werden unter anderem Bürokratieabbau und das Anwerben weiterer Pflegekräfte als flankierende Maßnahmen zur PPR 2.0 gefordert.
In das Pflegepersonalbemessungsinstrument PPR 2.0 flossen viele pflegewissenschaftliche Erkenntnisse aus den letzten Jahrzehnten ein. Dennoch ist es nur als Übergangslösung gedacht. Ursprünglich sollte es sogar durch ein weiterentwickeltes Instrument ersetzt werden. Gegenwärtig präferiert das Bundesgesundheitsministerium (BGM) jedoch eine beständige Weiterentwicklung der PPR 2.0.
Über den Fehlstart der PPBV und der in ihr enthaltenen PPR 2.0 hatten wir bereits im März 2024 in unserem Blog-Beitrag PPR 2.0: Definitiv vielleicht berichtet.
Die Versionsnummer der PPR 2.0 erklärt sich aus dem Vorläufer, der 1993 eingeführten „ersten“ Pflegepersonalregelung (PPR). Sie gab Sollzahlen für die zur Versorgung der Patienten benötigten Pflegepersonen im Tagdienst vor - und deckte dabei einen erheblichen Mehrbedarf an Pflegekräften auf.
Bereits im Jahr 1997 wurde die PPR – auch aufgrund der durch sie verursachten, hohen Mehrkosten - mit dem zweiten GKV-Neuordnungsgesetz wieder außer Kraft gesetzt.
Viele Personalverantwortliche im Gesundheitswesen begrüßten damals ihren Entfall. Doch als Jahre später die Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung (PpUGV) als Steuerungsinstrument eingeführt wurde, entdeckten ebenso viele Akteure ihre „Zuneigung“ zur PPR wieder.
Kein Wunder, bedeutete doch auch die PpUGV Mehrkosten - und gab dabei lediglich eine Minimalbesetzung vor, die „eine patientengefährdende Pflege verhindern soll“.
Dieser Ansatz und diese Wortwahl sorgten von Beginn an für ungute Assoziationen und inspirierten die Gewerkschaft ver.di, die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und den Deutschen Pflegerat zum Entwurf einer Alternative: der PPR 2.0. Sie kritisierten die PpUGV schon früh und drängten auf die Wiedereinführung eines patientenorientierten Personalbemessungsinstruments.
Die eingangs erwähnten Maßgabe-Änderungsanträge der Bundesländer Bayern, Hessen und Schleswig-Holstein beinhalten auch die Forderung nach einer Abschaffung der PpUGV, „soweit sich die Regelungsbereiche von PPBV und PpUGV überschneiden“. Denn sämtliche Kennzahlen müssen nicht nur eingehalten, sondern auch dokumentiert und an die Kontrollinstanzen gemeldet werden. Andernfalls drohe ein doppelter Bürokratieaufwand, den die ohnehin knappen Pflegekräfte erbringen müssen. Der hierfür erforderliche Erfüllungsaufwand sei darüber hinaus falsch bemessen, da etwa die Auswertung der Jahresmeldungen durch die Krankenhausplanungsbehörden gar nicht berücksichtigt werden.
Jeder stationär betreute Patient einer Klinik benötigt je nach Pflegestufe ein individuelles Maß an Betreuung. Um nicht nur eine „patientengefährdende Pflege“ zu verhindern, - eine Umschreibung, die manchen schockierte und das Ausmaß des Pflegenotstands treffend beschrieb -, sondern eine adäquate Pflege zu ermöglichen, muss also in jeder Schicht auf den bettenführenden Stationen stets die benötigte Anzahl an Pflegepersonen eingeteilt werden.
Die PPR 2.0 soll gewährleisten, dass diese sich Tag für Tag am aktuellen Pflegeaufwand jedes Patienten bemisst. Im Gegensatz zur PpUGV orientiert sich die „neue“ PPR 2.0 also nicht an Personaluntergrenzen, sondern am tatsächlichen Personalbedarf. Und sichert zugleich die Einhaltung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes für die Pflegekräfte.
Natürlich hat die PPR 2.0 auch eine ökonomische Seite. Sie dient zukünftig als Grundlage für die Personalbemessung in den Pflegebudgetverhandlungen zwischen Krankenhäusern und den Krankenkassen. Und gewährt dem Krankenhausmanagement mehr Freiheiten bei der Einteilung des Pflegepersonals.
Im Vorfeld ihrer Einführung wurde die PPR 2.0 ausgiebig getestet. Bereits im Jahr 2020 starteten 44 Kliniken mit Probeläufen, weitere wurden (teilweise sehr kurzfristig) 2023 hierzu verpflichtet.
Das vorläufige Fazit: Die PPR 2.0 ist machbar und könnte dazu beitragen, Pflegekräfte fokussierter einzusetzen und ihnen mehr Zeit für den Austausch mit Therapeuten oder für Gespräche mit Angehörigen zu verschaffen.
Wie sein Vorgänger, deckte der Probelauf zur PPR 2.0 zugleich das Ausmaß des aktuellen Pflegenotstands auf. (Über diesen hatten wir in der Vergangenheit mehrfach im SIEDA Blog berichtet.) Auch wenn die meisten Pflegekräfte es längst ahnten, zeigte sich mancher Personalverantwortliche verwundert angesichts der Tatsache, dass der eigene Personalstand um ein Drittel unter der von der PPR 2.0 vorgegebenen Sollvorgabe liegt.
Bayern, Hamburg und sieben weitere Bundesländer verweigerten in der Vergangenheit ihr Ja zur PPR 2.0 auch deshalb, weil sie nicht zur Gewinnung von Pflegepersonal geeignet sei. Dafür ist sie zwar auch nicht primär gedacht, jedoch sind sich alle Experten und Parteien einig, dass ein Pflegenotstand besteht und das Anwerben neuer Pflegekräfte im Fokus stehen muss, wenn die PPR 2.0 langfristig zum Erfolgsmodell werden soll.
Bayern, Hessen und Schleswig-Holstein gaben im Bundesrat eine Erklärung zu Protokoll, in der neben der bereits erwähnten Forderung nach Bürokratieabbau und Maßnahmen zur Gewinnung von Pflegepersonal auch das Aussetzen von Sanktionen bei Vorliegen von Ausnahmetatbeständen, die Eindämmung von Leiharbeit und die Steuerbefreiung von bestimmten Gehaltsbestandteilen sowie verlässliche Dienstpläne im Mittelpunkt standen. Einige Punkte dürften die Umsetzung der PPR 2.0 in der aktuellen Form und das Verhängen von Sanktionen bei Verstößen erschweren. Gut, dass es bereits Lösungen für das Erstellen verlässlicher Dienstpläne gibt: Transparente Dienstplan-Software wie OC:Planner zum Beispiel, bei der die Abstimmung von Abwesenheiten (Urlaube, Fortbildungen etc.) auf Wunsch direkt durch die Mitarbeiter erfolgt.
Da der geschätzte Mehrbedarf in der Pflegepersonalausstattung – Schätzungen zufolge mindestens 40.000 Vollzeitkräfte – nicht in kurzer Zeit zu decken ist, wurde ein stufenweiser und angemessener Aufbau angedacht. Die einzelnen Stufen sollen sich an realisierbaren Werten orientieren, wobei den Krankenhäusern zu deren Erreichen ursprünglich nur ein Jahr lang Zeit zugestanden wurde.
Die so genannte Konvergenzphase, innerhalb derer in den Krankenhäusern analog zur errechneten Sollbesetzung nach und nach zusätzliches Personal aufgebaut werden soll, wird nach Einschätzung der Gewerkschaft ver.di aufgrund der politischen Auseinandersetzungen nun wohl erst 2027 beginnen. Auch Sanktionen gegen Verstöße seien demzufolge erst später möglich.
Nun fallen Pflegekräfte bekanntlich nicht vom Himmel. Krankenhäuser werden sich künftig noch stärker als bisher engagieren müssen: Durch eine Erhöhung der Ausbildungszahlen etwa, eine stärkere Mitarbeiterbindung und die Rückgewinnung abgewanderter Pflegekräfte. Vor allem aber durch eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege.
Denn oftmals fehlt es an den „Basics“, zum Beispiel an einer Beteiligung der Mitarbeiter an der Dienstplanung und einem funktionierenden Ausfallmanagement. Noch immer ändern sich Dienstpläne allzu kurzfristig, werden Pflegekräfte nicht in die Planungsprozesse einbezogen und viel zu oft zwangsläufig aus dem Frei abberufen.
Ob neue Pflegekräfte gewonnen werden können, wird in Zukunft stark davon abhängen, inwieweit der Schichtplan und ihr Privatleben miteinander vereinbar sind und ob eigene Präferenzen berücksichtigt werden. Ein hoher Grad an Mitbestimmung steigert nicht nur die Mitarbeiterzufriedenheit und damit die Attraktivität als Arbeitgeber in der Pflege, sondern entlastet auch den Dienstplaner. Dabei hilft beispielsweise die verbesserte Abwesenheitsplanung der SIEDA, bei der die Abstimmung von Urlauben, Fortbildungen etc. direkt durch die Mitarbeiter erfolgt.
Das Krankenhauspflegeentlastungsgesetz (KHPflEG) soll Krankenhäusern als Grundlage für eine effizientere Personalplanung dienen. Es beinhaltet daher nicht nur die Pflegepersonalbedarfsbemessung in der stationären Krankenpflege (PPBV), - und diese wiederum die PPR 2.0 -, sondern auch die Forderung nach einer Senkung stationärer Behandlungen. Patienten sollen früher als bisher nach Hause entlassen und der Pflegepersonalbedarf dadurch stark reduziert werden.
Den Entfall der stationären Rundumversorgung formuliert das Bundesministerium für Gesundheit (BGM) als Vorteil für die Patienten. Diese „sollen sich darauf verlassen können, dass sie zu jeder Zeit durch qualifiziertes Personal behandelt und betreut werden und dass sie nur im Krankenhaus übernachten müssen, wenn es wirklich nötig ist.“
Tatsächlich liegt der Anteil stationärer Behandlungen und deren Dauer in Deutschland trotz zuletzt gesunkener Bettenzahl noch immer zu hoch. Im internationalen Vergleich findet sich das deutsche Gesundheitssystem auch deshalb nur im Mittelfeld wieder. Einen Spitzenplatz belegt es lediglich bei den Kosten.
Ambulante Behandlungen sollen künftig anhand sogenannter Hybrid-DRGs neu bewertet und damit für Krankenhäuser und niedergelassene Ärzte attraktiver werden. Da der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV), die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) keinen Konsens über die Leistungen und die Vergütungshöhe erreichten, werden diese durch Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) bestimmt.
Sowohl die Ambulantisierung als auch die patientenorientierte Personalbemessung selbst könnten dazu beitragen, die durch den Fachkräftemangel begrenzten personellen Ressourcen künftig effizienter zu nutzen. Die PpUGV hatte dies nicht vermocht, sondern manche Probleme sogar verstärkt, etwa durch einen hohen Bürokratieaufwand.
Immerhin hatte sie aber zum Umdenken angeregt und den Fokus auch auf Bereiche gelegt, die bei der PPR noch unberücksichtigt geblieben waren, beispielsweise die Pädiatrie. Deshalb geht mit der Einführung der PPR 2.0 zeitgleich auch die einer Kinder-Pflegepersonalregelung 2.0 (Kinder-PPR 2.0) einher.
Die Nachtdienste bleiben auch bei der PPR 2.0 vorerst außen vor, denn sie gilt nur für die Zeit von 6:00-22:00 Uhr und nur auf Normalstationen. Nachts greifen hier weiterhin die Personaluntergrenzen der PpUGV. Für Kinder werden die Regelungen der PPR 2.0 hingegen sowohl auf Normal- als auch auf Intensivstationen rund um die Uhr gelten. Ein Einsatz der PPR 2.0 auf der Erwachsenen-Intensivstation wird noch geprüft.
Laut eines aktuellen Forschungsvorhabens des Gesundheitsministeriums wurde die Kinder-PPR 2.0 von den Teilnehmern der Studie zwar positiv aufgenommen. Allerdings gab es auch Verständnisprobleme bei der Anwendung sowie Herausforderungen bei der Einstufung von Kindern aufgrund der unterschiedlichen Altersklassen (Säuglinge, Kleinkinder, Kinder und Jugendliche). Sie gilt es in der Einführungsphase der PPR 2.0 noch zu bewältigen.
Auch der Erwachsenenbereich der PPR 2.0 dürfte viele Personalverantwortliche vor Herausforderungen stellen. Nicht zuletzt deshalb, weil der Bundesrat einen vermehrten Einsatz von Pflegehilfskräften forderte. Änderungen beim Qualifikationsmix beeinflussen allerdings die ursprünglich in der PPR 2.0 vorgeschriebenen Quoten.
Außerdem müssen Pflegekräfte angeworben, geschult und der Datentransfer an das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) als Kontrollinstanz neu aufgesetzt werden. Es warten also eine Menge Hausaufgaben auf die Kliniken. Auf lange Sicht dürfte die PPR 2.0 eine große Hilfe bei der exakten Personalbedarfsermittlung der jeweiligen Station sein. Ob sie den von der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) erhofften „Durchbruch bei der Bewältigung der Personalkrise in der Krankenpflege“ bedeutet, muss sich indes erst noch herausstellen.
Mit Hilfe der PPR 2.0 kann das vorhandene Pflegepersonal zumindest optimal verteilt und entlastet werden. Ohne einen Pflegepersonalzuwachs kämpft das Bemessungsinstrument jedoch auf verlorenem Posten. Dazu braucht die Pflege nach wie vor mehr Anreize. Weniger Bürokratie und Überlastung zum Beispiel und dafür mehr Zeit für die Patienten sowie mehr Selbstbestimmtheit der Pflegekräfte. Nur so kann das Konzept aufgehen.
Die Abwesenheitsplanung der SIEDA setzt gleich an mehreren Punkten an: Einerseits unterstützt sie die Selbstbestimmung von Pflegekräften. Andererseits kommt sie gänzlich unbürokratisch daher: Mit ihrer Hilfe erfolgt über das Mitarbeiterportal (auch von zu Hause aus) die Abstimmung von Urlauben, Fortbildungen etc. direkt untereinander durch die Mitarbeiter. Wie das geht, erklären wir Ihnen gerne.
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