In unseren Blog-Artikeln PpUGV 2021: Was ist neu?, PpUGV – Flop oder Top? Wir analysieren für Sie. und PpUGV – Wie läuft die Umsetzung? Was hat sich getan? haben wir uns seit ihrer Einführung im Jahr 2019 mit dem Thema Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung (PpUGV) beschäftigt.
In der PpUGV sind personelle Untergrenzen für bestimmte, als pflegesensitiv eingestufte Bereiche von Krankenhäusern und Kliniken festgelegt. Sie sollen eine sichere Patientenversorgung gewährleisten und bestimmen die maximale Anzahl von Patienten pro Pflegekraft einer Station.
Beispiel Geriatrie:
Während der Tagschicht sind maximal 10 Patienten pro Pflegekraft, in der Nachtschicht maximal 20 Patienten pro Pflegekraft vorgesehen.
Die Definierung solcher Kennzahlen zwischen den Selbstverwaltungspartnern Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG), dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) und dem Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) scheiterte in der Vergangenheit.
Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) erließ daraufhin die Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung (PpUGV), die zum 1. November 2019 in Kraft trat.
Personelle Untergrenzen gelten nicht nur in der Pflege, sondern auch im Bereich Psychiatrie und Psychosomatik - dort geregelt durch die Richtlinie PPP-RL. Mit deren Regelungen, ihrer problembehafteten Umsetzung und der teils heftigen Kritik beschäftigt sich unser Blog-Artikel PPP-RL: Das Leben ist eine Baustelle.
Im vergangenen Jahr wurden zu den bereits seit 2019 als pflegesensitiv eingestuften Bereichen Intensivmedizin, Geriatrie, Kardiologie, Herzchirurgie, Unfallchirurgie, Neurologie, Neurologische Schlaganfalleinheit (Stroke-Units) und Neurologische Frührehabilitation weitere Bereiche hinzugefügt.
Die 2020 eingeführten Bereiche Allgemeine Chirurgie, Innere Medizin, Pädiatrie und Pädiatrische Intensivmedizin werden gemäß § 3 PpUGV für das Jahr 2022 fachspezifisch erweitert und weiter ergänzt.
Ab 01.01.2022 sind daher auch
als pflegesensitive Bereiche eingestuft.
Ab 2022 gelten folgende Pflegepersonaluntergrenzen (jeweils Patienten je Pflegekraft):
Pflegesensitiver Bereich | Tagschicht | Nachtschicht |
---|---|---|
Intensivmedizin | 2 | 3 |
Geriatrie | 10 | 20 |
Kardiologie | 10 | 22 |
Herzchirurgie | 7 | 15 |
Unfallchirurgie | 10 | 20 |
Neurologie | 10 | 20 |
Neurologische Schlaganfalleinheit (stroke units) | 3 | 5 |
Neurologische Frührehabilitation | 5 | 12 |
Allgemeine Chirurgie | 10 | 20 |
Innere Medizin | 10 | 22 |
Orthopädie | 10 | 20 |
Allgemeine Pädiatrie | 6 | 10 |
Pädiatrische Intensivmedizin | 2 | 3 |
Spezielle Pädiatrie | 6 | 14 |
Neonatologische Pädiatrie | 3,5 | 5 |
Gynäkologie und Geburtshilfe | 8 | 18 |
Quelle: Bundesministerium für Gesundheit (Stand: 08.11.2021)
Das Bundesministerium für Gesundheit sieht vor, dass die Einhaltung der Untergrenzen durch unabhängige Buch- und Wirtschaftsprüfer bestätigt werden. Krankenhäuser, die sich nicht an die Vorgaben halten und die Grenzen unterschreiten, müssen Vergütungsabschläge hinnehmen.
Für die Abrechnung von allgemeinen Krankenhausleistungen ist das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) zuständig. Die Einhaltung der Pflegepersonaluntergrenzen wird anhand einer quarteilsweise zu erstellenden Nachweisvereinbarung geprüft, die nach § 11 KHEntgG (Krankenhausentgeltgesetz) an das InEK und die örtlichen Vertragsparteien übermittelt wird.
Die InEK legt fest, wie die Umsetzung der PpUGV durch die Krankenhäuser erfolgt.
Gute Dienstplan-Software bezieht die gesetzlich vorgegebenen Pflegepersonaluntergrenzen automatisch in die tägliche Planung mit ein - wie der OC:Planner der SIEDA GmbH.
Mit seiner Hilfe können Belegungs- und Besetzungsdaten ausgewertet werden. Die geforderte Prüfung durch Wirtschaftsprüfer wird unterstützt und Sie können die Daten einfach in das Meldeformular der InEK übertragen. So liefern Sie diese fristgerecht und minimieren gleichzeitig Ihren Dokumentationsaufwand.
Sollten Sie das Krankenhausinformationssystem (KIS) ORBIS verwenden, bietet der OC:Planner sogar noch mehr: Per Knopfdruck werden die Belegungsdaten mit Hilfe einer speziellen Schnittstelle importiert sowie gemäß der definierten, meldepflichtigen Bereiche aufbereitet und ausgewertet.
OC:Planner wird bereits in mehr als 300 Kliniken in Deutschland täglich verwendet.
Natürlich stößt die Definierung von Pflegepersonaluntergrenzen nicht überall auf Zustimmung. Für die Krankenhausträger bedeuten diese neben erhöhter Personalkosten auch einen hohen Verwaltungsaufwand.
Mit ihren starren Vorgaben und Unterscheidungen zwischen pflegesensitiven und nicht-pflegesensitiven Bereichen sei die Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung nicht mehr zeitgemäß, sondern ein "Bürokratiemonster", welches gerade in den Zeiten von Corona die Sicherstellung der Patientenversorgung gefährde.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) führt sogar eine ganze Mängelliste gegen die PpUGV ins Feld. So sei der Umgang des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) mit den Ergebnissen der Datenerhebung des InEK sehr intransparent. Als dessen Träger fordert die DKG zu Bewertungszwecken Einsicht in die entsprechenden Daten.
Ein anderer Kritikpunkt: Das für die Datenauswertung verantwortliche Krankenhauspersonal werde laut DKG in der Regel nicht wie im Referentenentwurf vorgesehen über das Pflegebudget finanziert. Außerdem existierten Abgrenzungsprobleme im 2020 eingeführten und jüngst untergliederten pädiatrischen Bereich. Tatsächlich stellte das InEK bis Mitte Januar noch keine Nachweisvereinbarung für 2022 zur Verfügung, die unter anderem Eckdaten für eine klare Abgrenzung enthält.
Die Corona-Pandemie stellte in den vergangenen Jahren auch im Sinn der Umsetzung der PpUGV eine besondere Herausforderung dar. Zeitweise wurden die Personaluntergrenzen im Pflegebereich sogar ausgesetzt. Da die Entscheidung des Gesetzgebers hierüber oft kurzfristig erfolgte, mussten die Planungsverantwortlichen und Pflegekräfte ebenso kurzfristig darauf reagieren. Über dieses und weitere Probleme hatten wir letztes Jahr in unserem Blog-Artikel PpUGV 2021 - Was ist neu? bereits berichtet.
In der PpUGV heißt es, dass Hebammen "nur mit dem pflegerischen Anteil ihrer Arbeit in der unmittelbaren Patientenversorgung" in der Datei Pflegepersonalbesetzung zu erfassen seien.
Der Verband der Pflegedirektorinnen und Pflegedirektoren der Universitätskliniken und Medizinischen Hochschulen Deutschlands (VPU) kritisiert, diese Abgrenzung führe zu einer Abwertung des Berufsbildes Hebamme und setze Fehlanreize für die Krankenhäuser.
VPU-Vorstandsvorsitzender Torsten Rantzsch hält die festgelegten Anteile von 10 % im Tag- bzw. 5 % im Nachtdienst für "absolut inakzeptabel". Schließlich erstrecke sich der Einsatz von Hebammen nicht nur auf die Geburtshilfe, sondern ebenso auf die Gynäkologie und Teile der Pädiatrie.
Die Gewerkschaft ver.di bemängelte in der Vergangenheit, dass die PpUGV nicht auf eine gute Pflege abziele, sondern lediglich eine Minimalbesetzung vorschreibe, um eine "patientengefährdende Pflege" zu verhindern. Sie führe möglicherweise sogar zu dem nachteiligen Effekt, dass die Besetzungen der personell besser ausgestatteten Bereiche auf das Maß der Pflegepersonaluntergrenzen herabgesetzt würden.
Außerdem bestehe laut ver.di das Risiko von Personalverlagerungen aus Bereichen, die nicht als pflegesensitiv eingestuft und von Pflegepersonaluntergrenzen erfasst sind. Verlegungen von Patienten aus pflegesensitiven in andere Bereiche werde nach wie vor nicht wirksam begegnet.
Bereits 2019 hat ver.di gemeinsam mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) und dem Deutschen Pflegerat (DPR) ein Instrument zur Personalbemessung für die Pflege auf der Grundlage der Pflege-Personalregelung (PPR) entwickelt und erprobt. Die Ampelkoalition aus SPD, den Grünen und FDP hat sich in ihrem Koalitionsvertrag darauf geeinigt, die so genannte Pflegepersonalregelung 2.0 (PPR 2.0) als Übergangsinstrument zur verbindlichen Personalbemessung im Krankenhaus einzuführen. Sie soll die PpUGV ersetzen und deren Unterteilung in pflegesensitive und nicht-plegesensitive Bereiche hinfällig machen.
Mehr zur PPR 2.0 können Sie in unserem Blog-Beitrag PpUGV 2021: Was ist neu? nachlesen.
Im letzten Jahr wurde bereits der Vorwurf laut, die PpUGV mit ihrer kleinteiligen Regelungssystematik führe gar zu einer weiteren Zuspitzung der ohnehin angespannten personellen Lage im Pflegebereich. Schon heute fehlen laut Studien in deutschen Krankenhäusern Pflegekräfte im hohen fünfstelligen Bereich.
Aufgrund der demografischen Entwicklung rechnet der Pflegereport der Bertelsmann-Stiftung bis zum Jahr 2030 mit insgesamt 500.000 fehlenden Vollzeitkräften in Pflegeberufen. Deren physische und psychische Anforderungen sind hoch - im Gegensatz zu den Anreizen für Berufsanfänger und Wiedereinsteiger. Und dass sich trotz ausdrücklicher Wertschätzung von Pflegekräften in Corona-Zeiten auch in den letzten beiden Jahren nicht viel an den Arbeitsbedingungen geändert hat, dürfte viele Pflegekräfte zusätzlich demotiviert haben.
Der sich verschärfende Pflege(fach)kräftemangel und die Schaffung von Anreizen wird in den kommenden Jahren auch unabhängig von der PpUGV ein zentrales Thema der Gesundheitspolitik der neuen Bundesregierung sein. Stehen zu wenige Pflegekräfte auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung, werden Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung wie auch PPR 2.0 zu unerfüllbaren Sollvorgaben, die uns umso klarer vor Augen führen, wie schlimm es um den Pflegebereich tatsächlich bestellt ist. Die Abwanderung von Pflegekräften in andere Berufe muss unbedingt gestoppt werden. Und zwar besser heute als morgen.
In unserem Blog-Beitrag Pflegenotstand 2021: Macht die Pflege endlich attraktiv! behandeln wir die Gründe für den Pflegekräftemangel und den Wechsel vieler Fachkräfte in andere Berufe. Auch haben wir den Lösungsansatz der Bundesregierung verfolgt, zusätzliche Pflegekräfte im Ausland anzuwerben, beispielsweise im Kosovo und in Mexiko: Viva la Pflege! Der leidige Fachkräftemangel.
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Guten Tag,
ich würde gerne fragen wo gehört Gefäßchirurgie zum Allgemein oder Herzchirurgie. Wie ist der Pflegepersonalschlüssel für Gefäßchirurgie. Für die Antwort bedanke ich mich recht herzlich.
Hallo Frau Bujdosova,
vielen Dank für Ihre interessante Frage. Wir haben diese ans InEK weitergegeben und erhielten folgende Antwort:
"[...]Gerne kann sich die von Ihnen genannte Leserin an uns wenden und konkret nachfragen: ppugv-umsetzung@inek-drg.de.
Darüber hinaus möchten wir auf die Veröffentlichungen auf unserer Homepage verweisen, in dem die Strukturmeldungen der Krankenhäuser nach § 5 Abs. 3 PpUGV aufgeführt sind (https://www.g-drg.de/pflegepersonaluntergrenzen-2022/umsetzung-der-verordnung-zur-festlegung-von-pflegepersonaluntergrenzen-in-pflegesensitiven-bereichen-in-krankenhaeusern-ppugv-fuer-das-jahr-2022). [...]"
Wir hoffen, dass die Strukturmeldungen Ihres Unternehmens Aufschluss über die Einordnung der Gefäßchirurgie geben werden.
Herzliche Grüße
Holger Montag
Guten Tag,
Überall finde ich Personalschlüssel für Intensivstation, aber nirgends für IMC.
Wie gehen wir das an?
Mfg
Sylwia Socha-Sochacka
Sehr geehrte Frau Socha-Sochacka,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Ich bitte zunächst um Nachsicht, dass die eigentliche Aufteilung der pflegesensitiven Fachbereiche nicht zu meinem Spezialgebiet als Redakteur eines Anbieters von Dienstplan-Software zählt. Natürlich helfe ich Ihnen dennoch gerne weiter, insofern mir dies möglich ist - zum Beispiel mit einer Auskunft des InEK:
"Frage 7.7: Wir wurden für den pflegesensitiven Bereich Intensivmedizin ermittelt. Wie sind Stationen zu melden, auf denen sowohl intensivmedizinische als auch IMC-Patienten liegen?
Antwort: Gem. § 5 Abs. 3 Nr. 4 PpUGV sind für den pflegesensitiven Bereich Intensivmedizin sämtliche Stationen zu melden, auf denen die Merkmale und Strukturbedingungen der OPS der intensivmedizinischen Komplexbehandlung oder der aufwendigen intensivmedizinischen Komplexbehandlung (8-980.* oder 8-98f.*) erfüllt sind, so dass die entsprechenden OPS grundsätzlich verschlüsselt werden können. Dies gilt unabhängig davon,
a) ob im Einzelfall ein OPS aus 8-980.* oder 8-98f.* verschlüsselt werden kann,
b) wie hoch der Anteil der Fälle mit einem OPS aus 8-980.* oder 8-98f.* an allen Fällen ist und
c) ob ggf. für Teile einer Station typischerweise keine OPS aus 8-980.* oder 8-98f.* erfasst werden.
Die nach § 5 PpUGV geforderten Angaben sind für ausgewiesene Intensivstationen ebenso zu übermitteln wie für in Leistungsbereichen aufgestellte (einzelne) Intensivbetten.
Wenn die gesamte Station die Definition einer „intensivmedizinischen Behandlungseinheit“ erfüllt (siehe § 2 Abs. 4 PpUGV), ist die Station im gesamten in den Strukturdaten (Mitteilung gem. § 5 Abs.3 bzw. 4 PpUGV) unter dem pflegesensitiven Bereich Intensivmedizin zu erfassen und der Nachweis ist dann für die gesamte Station (alle Fälle, gesamtes Pflegepersonal) zu erbringen. Es gilt dann für die gesamte Station die Pflegepersonaluntergrenze der Intensivmedizin.
Wenn hingegen nicht die gesamte Station die Definition einer „intensivmedizinischen Behandlungseinheit“ erfüllt (siehe § 2 Abs. 4 PpUGV), weil beispielsweise nur zwei Intensivbetten auf einer kardiologischen Station stehen, dann ist die Station aufzuteilen (z.B. in „Station 1“ für den pflegesensitiven Bereich Kardiologie und in „Station 1 (Intensivbehandlung)“ für den pflegesensitiven Bereich Intensivmedizin). In der konkreten Umsetzung bedeutet dies, dass die beschriebene Station für die Meldung des Teilbereichs, welche der intensivmedizinischen Versorgung dient, abzugrenzen ist von dem Teilbereich, der keine intensivmedizinische Behandlungseinheit darstellt. Dies bedeutet, dass dann die Anzahl der Betten der intensivmedizinische Behandlungseinheit sowie die darin behandelten Patienten, sowie das durch diese Patienten gebundene Pflegepersonal unter dem pflegesensitiven Bereich Intensivmedizin (z.B. „Station 1 (Intensivbehandlung)“) zu übermitteln ist. Der Teilbereich des pflegesensitiven Bereichs Kardiologie (z.B. „Station 1“) ist mit den nicht-intensivmedizinischen Betten, den darin behandelten Patienten sowie dem das durch diese Patienten gebundene Pflegepersonal zu übermitteln."
Diese und weitere Fragen zur PpUGV hat das InEK unter https://www.g-drg.de/pflegepersonaluntergrenzen-2023/umsetzung-der-verordnung-zur-festlegung-von-pflegepersonaluntergrenzen-in-pflegesensitiven-bereichen-in-krankenhaeusern-ppugv-fuer-das-jahr-2023/faq-ppugv-2023#Intensivmedizin beantwortet.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit dieser Antwort weiterhelfen?
Herzliche Grüße
Holger Montag