Flexiblere Arbeitszeitgestaltung im Rettungsdienst | SIEDA

Holger König

Autor:
Veröffentlicht am: 10.05.2019


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Flexiblere Arbeitszeitgestaltung im Rettungsdienst | SIEDA

Die Arbeitswelt ist kräftig in Bewegung: Demographische Entwicklungen, gesellschaftliche Anpassungen und wissenschaftliche Erkenntnisse verlangen nach alternativen Arbeitszeitmodellen. Das Projekt FAIR öffnet neue Wege.

FAIR steht für „Flexible Arbeitszeitmodelle im Rettungsdienst – Lebensphasenorientierte Arbeitszeitgestaltung“. Das Projekt wurde vom DRK-Rettungsdienst Rheinhessen-Nahe ins Leben gerufen. Die Initiative wird vom Ministerium für Arbeit und Soziales gefördert und vom Weiterbildungsträger „Arbeit und Leben“ unterstützt.  Auch die SIEDA engagiert sich im Rahmen des Projekts, weil wir der Meinung sind, dass es für alle ein Gewinn ist. Sehen Sie selbst:

Die zentralen Aspekte des Projekts

  • Dynamische Arbeitswelt – Der Trend zur Individualisierung
  • Wie entstand das Projekt FAIR?
  • Warum unterstützt SIEDA die Forschung?
  • Was ist das Ziel von FAIR?
  • Was heißt „bedarfsgerechtes Arbeitszeitmodell“?
  • Wie läuft das Projekt FAIR konkret ab?
  • Das unterstützende Werkzeug „Arbeitszeitbox“
  • Wie geht es weiter?

Wie entstand das Projekt FAIR?

Die Gesundheit und Zufriedenheit der Mitarbeiter ist für jedes Unternehmen ein zentrales Gut. Ein entscheidendes Kriterium dafür ist die „Work-Life-Balance“, die maßgeblich durch das zugrundeliegende Arbeitszeitmodell des Mitarbeiters und den Dienstplan beeinflusst wird. Deshalb ist es für die SIEDA wichtig, Erkenntnisse aus den Arbeitszeitmodellen in die Dienstplangestaltung einfließen zu lassen.

Der Wunsch nach Flexibilisierung der Arbeitszeit wächst. Die Betriebe müssen sich umstellen. Auch im Rettungsdienst, wo besondere psychische Anforderungen und die Belastungen des Schichtdienstes berücksichtigt werden müssen.

Die Gestaltung der Arbeitszeit soll nicht nur individuell sein, sondern ganz exakt auf die jeweilige Lebensphase des Mitarbeiters abgestimmt sein. Diese neue Denkweise beherbergt ein großes, bisher kaum ausgeschöpftes Potenzial. 

So sah das auch der DRK-Rettungsdienst Rheinhessen-Nahe und rief daher das Projekt "FAIR" ins Leben. 

Lebensphase Stress

Warum unterstützt SIEDA die Forschung?

Die Personaleinsatzplanung ist zentraler Baustein der Arbeitszeitgestaltung. Deshalb ist das Projekt FAIR für die SIEDA hochinteressant. Die DRK Rettungsdienste in Rheinland-Pfalz setzen zur Erstellung der Dienstpläne die Software zur Personaleinsatzplanung OC:Planner der SIEDA ein. Die Erkenntnisse aus dem Projekt sollen auch in die Weiterentwicklung der Software einfließen. 

Bereits im Forschungsprojekt gamOR ist die SIEDA im Umfeld „Arbeitszufriedenheit und Selbstbestimmung im Schichtdienst“ aktiv involviert.

Was ist das Ziel von FAIR?

FAIR möchte das enorme Potential lebensphasenorientierter Arbeitszeitmodelle für den Rettungsdienst erschließen. Das Forschungsprojekt FAIR berücksichtigt die zahlreichen Gestaltungsparameter, die umfangreiche Modellvielfalt sowie die unterschiedlichen Zielsetzungen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

Im Projekt wird explizit auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter eingegangen. Die Belastungen für die Beschäftigten sollen reduziert werden. Die Entwicklung, Implementierung und Erprobung eines solchen Arbeitszeitmodells soll die Arbeits- und Lebensqualität nachhaltig fördern.

 Feste Rahmenbedingungen als Leitplanken

Alle Maßnahmen müssen innerhalb bestimmter Grenzen geschehen: Das sind gesetzlichen Vorgaben aus dem Rettungsdienstgesetz oder dem Landesrettungsplan. Zudem gibt es diverse tarifliche Bestimmungen.

Was heißt „bedarfsgerechtes Arbeitszeitmodell“?

Im Rettungsdienst existieren bereits unterschiedliche Arbeitszeitmodelle. Diese betreffen bisher aber nur vereinzelte Gruppen, beispielsweise ältere Kollegen. Die Ausrichtung soll zukünftig wesentlich spezieller und stringenter erfolgen. Angelegt sowohl an den Berufsphasen, wie Einstieg, Orientierung, Führung, oder Ausstieg, als auch den Lebensphasen (Elternschaft, Pflegetätigkeit, Krankheit) der Beschäftigten orientiert. FAIR soll diesen neuen Weg ebnen und die Beschäftigten durchgehend begleiten.

Wie läuft das Projekt FAIR konkret ab?

Das Forschungsprojekt konzentriert sich auf vier rheinland-pfälzischen Rettungswachen (jeweils zwei im ländlichen und zwei städtischen Raum) aus vier regionalen Verbänden. 

Das Projekt sieht eine Durchführung pro Rettungswache in verschiedenen Phasen vor.

Rettungsdienst

1. Bestandsaufnahme der aktuelle Arbeitszeitregelung

In der IST-Analyse werden alle Akteure (z.B. Rettungswachenleitung, betroffene Mitarbeiter, Betriebsrat, Betriebsärzte, u.a.) einbezogen. Betrieblichen Daten, bspw. zu Beschäftigtenstruktur, Statistiken zu Arbeitsunfähigkeit und Fluktuation, werden ausgewertet. 

2. Planung des Vorgehens

Ein Steuerkreis plant den Rahmen der konkreten, betrieblichen Umsetzung: Es werden Zeitplan, Ziele, Meilensteine, Identifizierung einer Kontrollgruppe etc. festgelegt.

3. Einflussfaktoren klären

Vor der Anpassung von Arbeitszeitmodellen müssen alle Faktoren gesammelt werden, welche die eine Ausgestaltung beeinflussen können.

Das sind u.a.:

·        Geltende rechtliche Anforderungen

·        Betriebliche Erfordernisse (z.B. Aufgabenspektrum, Auslastung, Betriebszeiten)

·        Qualifikations- und Tätigkeitsprofile der Beschäftigten

·        Arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse (gesundheitliche und sozialverträgliche Arbeitszeitgestaltung)

·        Bedarfe der Beschäftigten in unterschiedlichen Lebens-/Berufsphasen 

4. Modellentwicklung

Auf Basis der verschiedenen Einflussfaktoren werden im Steuerkreis verschiedene Arbeitszeitmodelle hinsichtlich ihrer Vor- und Nachteile diskutiert. 

Es besteht bereits ein großer Fundus entwickelter, etablierter Arbeitszeitmodelle und Instrumente: z.B. vollkontinuierliche Schichtmodelle, Lebensarbeitszeitkonto, Jahresarbeitszeit, Funktionszeit, Teilzeit, Zeitwertkonten oder Altersteilzeit

Ein einzelnes Modell reicht aber für den einzelnen Arbeitnehmer nicht aus. Vielmehr ist es die ineinandergreifende Kombination mehrerer Modelle, welche die verschiedenen Lebensphasen erst adäquat abdecken können.

Auch bei Zielkonflikten sollen alle Beteiligten eine gemeinschaftliche Lösung erarbeiten. Nur so gelingt es, Schichtarbeit bedarfsgerecht, mitarbeiterorientiert und leistungsförderlich zu gestalten.

5. Implementierung

Nachdem ein passendes Modell entwickelt wurde, wird es in den Betriebsalltag integriert. Ein Baustein ist die Neugestaltung des Dienstplans.

6. Testphase

In einer fünfmonatigen Testphase wird die Alltagstauglichkeit des neuen Arbeitszeitmodells geprüft.  

7. Zwischen- und Abschlussevaluation

Nach ca. 2-3 Monaten erfolgt eine Zwischenevaluation. Am Ende des Projekts die Abschluss-Untersuchung. Eine Vorher-Nachher-Betrachtung liefert vergleichbare Erkenntnisse über Qualität und Nutzen des Arbeitszeitmodells. 

Die Daten werden durch die Befragung der Mitarbeiter und Analyseworkshops generiert. Anhand der Daten wird überprüft, inwieweit sich die neuen Regelungen den Bedarfen der Beschäftigten anpassen und welche Auswirkungen sich auf den Betriebsablauf ergeben haben. 

Abgesichert wird die Maßnahmen durch einbeziehen einer Kontrollgruppe, die nicht an der Testphase teilnimmt. Auch der unangetastete Arbeitsprozess dieser Gruppe wird mit dem neuen Modell abgeglichen.

Das unterstützende Werkzeug „Arbeitszeitbox“

Der gesamte Prozess ist komplex und braucht entsprechende Werkzeuge. Die „Arbeitszeitbox“ ist ein solches. Sie wurde im Rahmen der „Initiative NeueQualität der Arbeit (INQA)“ entwickelt und von der „Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin“ fachlich betreut. In ihr sind Praxishilfen für die Arbeitszeitgestaltung hinterlegt, welche die Entwicklung passgenauer Arbeitszeitmodelle für jede Dienststelle erlauben.  

Arbeitszeitbox INQA

Für die Dienstplanung sind besonders die folgenden beiden Themen der Arbeitszeitbox relevant:

Arbeitszeitbox „Planung“

Der erforderliche Personalbedarf soll systematisch und vorausschauend ermittelt werden. Und zwar auf Basis der zuvor festgestellten Anforderungen und Daten. So spielen die erwartete zukünftige Geschäftsentwicklung und das Beachten von Fehlzeiten wie Urlaub, Krankheit und Fortbildung eine zentrale Rolle.

Planungssicherheit entlastet die Beschäftigten. Mit flexiblen Arbeitszeitmodellen kann ideal auf kurzfristige Schwankungen reagiert werden. 

Arbeitszeitbox „Schichtarbeit“

Schichtsysteme müssen gleichzeitig externen Anforderungen (Patienten/Kunden, Lieferanten, etc.) als auch den Beschäftigten gerecht werden. Das gelingt umso besser, umso mehr die Beschäftigten aktiv mit in den Umsetzungs-und Veränderungsprozess des Schichtsystems einbezogen werden.

 

Wie geht es weiter? ...Auf jeden Fall dynamisch!

Die Lebensphasenorientierung kann zu einem Win-Win-Effekt für Arbeitgeber und Mitarbeiter werden. Die individuellen Arbeitsmodelle sorgen für zufriedenere, motivierte und gesündere Mitarbeiter sowie für langfristige Personalbindung. Die SIEDA wird das Projekt FAIR im Dialog mit dem DRK-Rettungsdienst Rheinhessen-Nahe intensiv begleiten und aufmerksam beobachten.

Es ist unser Ziel, die Erkenntnisse aktiv in den OC:Planner zur Dienstplangestaltung zu integrieren und die bereits existierenden Möglichkeiten, wie den Rahmen- bzw. Rollplan, effektiv und zielgerichtet weiterzuentwickeln.       

Inzwischen wurde die Testphase des Projektes FAIR abgeschlossen. Die Erkenntnisse und Bedürfnisse der DRK-Mitarbeiter flossen in die Dienstplanung mit ein. Seit Juli 2020 können alle Mitarbeiter des DRK Rheinhessen-Nahe die neuen Möglichkeiten zur Teilflexibilisierung ihrer Schichtplanung profitieren. Mehr in unserem Blog-Folgeartikel Rettungsdienst + Familie = Passt!

Weitere Informationen zum Initiator des Projekts finden Sie unter https://www.drk-rhein-nahe.de/

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