Selbstplanung: Muss das denn sein?

Holger Montag

Autor:
Veröffentlicht am: 29.08.2024


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Selbstplanung ermöglicht mehr Mitspracherecht und kann die Unternehmensbindung erhöhen.

Der Wunsch nach Selbstbestimmheit

Was wünschen sich Arbeitnehmer im Jahr 2024? Mit dieser Frage beschäftigen sich zahlreiche Studien und natürlich vor allem die über den anhaltenden Fachkräftemangel klagenden Arbeitgeber. 

Lange Zeit gingen sie davon aus, dass Faktoren wie die Höhe des Gehalts, Aufstiegsmöglichkeiten, die Anzahl der Urlaubstage oder – je nach Branche – Benefits wie Bonuszahlungen, Dienstwagen oder -handy entscheidend für die Gewinnung von Fachkräften seien. Die Verschiebung von Prioritäten innerhalb der Belegschaft wurde teilweise komplett ignoriert.

Heißa, ein Dienstwagen! So einfach war die Mitarbeitergewinnung früher.

Schon seit vielen Jahren zeichnet sich ab, dass die meisten Mitarbeiter sich nicht mehr primär über Wohlstand und Statussymbole definieren. (In vielen Branchen taten sie dies ohnehin nie.) Ihre persönliche Lebensqualität bemisst sich vor allem an der Vereinbarkeit der Erwerbsarbeit mit ihrem Privatleben. Zeit ist die harte Währung der Zukunft – genauer: quality time, also qualitativ hochwertige Zeit – und ihr selbstbestimmter Einsatz der größte Luxus.

Gerade jüngere Generationen wählen ihre Arbeit oft gezielt danach aus, wie sinnhaftig sie ist und ob sie sich zeitlich an Familie und Freizeit angliedern lässt.

Sinnhaftigkeit der Arbeit: New Work 2024

Gerade jüngere Generationen legen zudem laut Umfragen immer größeren Wert auf sinnerfüllende Arbeit. New Work, die aus der Not in den 1970ern geborene Bewegung, ist aktueller denn je. Deren Credo war und ist: Arbeit, die du wirklich, wirklich willst. 

Die New Work der Neuzeit trägt den Zusatz in sich: Und Arbeit, die sich in dein Leben perfekt einpasst, so dass du sie nicht mehr losgelöst von deinem selbstbestimmten Privatleben empfindest. Vorbei sind die Malocherzeiten, in denen das Leben erst mit dem Feierabend begann.

New Work? Was ist das?

Über die Ursprünge von New Work und deren Neuinterpretation hatten wir bereits in einem früheren Blog-Beitrag namens New Work: Marx und der Bergmann informiert.

Nun entspricht auch heute nicht jede Arbeit der Definition eines Traumjobs. In vielen Berufen sind die Möglichkeiten der persönlichen Gestaltung außerdem begrenzt. Umso wichtiger ist es, diese anzubieten, damit die Zufriedenheit der Arbeitnehmer wächst und sie dem Unternehmen erhalten bleiben. Denn der persönliche Bezug zum Arbeitgeber und die Freiheiten, die er seinen Mitarbeitern gewährt, sind weitaus besser zur Unternehmensbindung geeignet als ein hohes Gehalt, das zudem im Wettstreit durch Konkurrenten leicht überboten werden kann.

Mitarbeiterbindung durch Selbstplanung

Eine Schlüsselrolle bei der Fachkräftegewinnung und dem Halten von Mitarbeitern wird künftig dem Grad der Mitbestimmung zufallen, die das eigene Unternehmen zulässt. Im Zeitalter der flachen Hierarchien möchten Arbeitnehmer sich nicht mehr vorschreiben lassen, wer wann welche Schichten übernimmt und dass immer dieselben Mitarbeiter ihren Jahresurlaub verschieben und täglich im Büro erscheinen müssen, statt wie ihre Kollegen Homeoffice-Tage einzulegen.

Die vielerorts geforderte Mitbestimmung durch die Mitarbeiter ist auch für den Arbeitgeber von Vorteil – insbesondere dann, wenn er sie an den Planungsprozessen beteiligt oder ihnen Aufgaben überträgt, die den eigentlich Verantwortlichen entlasten. Nach dem Motto: Mitbestimmung ist gut, Selbstplanung ist besser. Zeitersparnis plus mehr Zufriedenheit innerhalb der Belegschaft? Klingt fast zu schön, um wahr zu sein.

Mit guter Selbstplanung gibt's Homeoffice nicht nur für die Anderen.

Fakten zur Mitarbeiterbindung

Noch immer wird sie unterschätzt: Der Mitarbeiterzufriedenheit fällt eine Schlüsselrolle beim Halten und der Gewinnung von Fachkräften zu. Anders als von vielen Arbeitgebern vermutet, verlassen Mitarbeiter ihr Unternehmen selten aus monetären Gründen, sondern weil ihnen eine Bindung zum Unternehmen fehlt. 

Zu dieser Entfremdung tragen viele (intern selbst verschuldete) Gründe bei: Eine intransparente Verteilung von Schichten zum Beispiel, wenig Mitspracherecht, ein andauernd hohes Stresslevel, mangelnde Wertschätzung oder ein ungerechtes und intransparentes Lohngefüge. Wer diese Punkte außer Acht lässt, riskiert und fördert die Abwanderung qualifizierter Mitarbeiter.

Fehlbesetzung und mangelnde Qualifikationen bei der Selbstplanung?

Führt Selbstplanung zu Fehlbesetzungen?

Tatsächlich gibt es nicht nur Befürworter der Mitbestimmung und Selbstplanung. So befürchten Planungsverantwortliche einen gewissen Kontrollverlust, das Nichtbeachten von notwendigen Qualifikationen und eine lückenhafte Planung, die letztlich auf sie zurückfällt oder durch die Summe etwaiger Nachbesserungsarbeiten keine Entlastung darstellt. Und auch die Mitarbeiter selbst wünschen sich längst nicht alle das Einräumen von mehr Rechten bei der Planung.

Vor allem dann nicht, wenn sie von dem althergebrachten, hierarchischen System bisher profitierten. Mehr Eigenverantwortung für den Einzelnen, mehr Absprachen auf Augenhöhe? Warum? Einfach wie immer den Urlaubsantrag als Erster ausfüllen und einreichen, fertig. Sollen die Anderen doch schauen, wo sie bleiben, schulpflichtige Kinder hin oder her.

Zahlen zur Mitarbeiterbindung

Eine aktuelle Umfrage des Beratungsunternehmens Gallup belegt, dass Deutschland mit 14 % einen sehr niedrigen Grad an emotionaler Mitarbeiterbindung aufweist. Der globale Durchschnitt liegt mit 23 % fast doppelt so hoch. Auch das Stresslevel ist hierfür mit verantwortlich: Laut Gallups internationalem "State of the Global Workplace Report 2024" sind nur 45 % der Beschäftigten in Deutschland zufrieden mit ihrer Arbeit. (Europas Spitzenreiter Finnland glänzt mit 83 %.) 

Aktuell bemüht sich der Studie zufolge jeder zweite Arbeitnehmer um einen Jobwechsel, hat jeder fünfte innerlich längst gekündigt. Wäre es also möglich, dass der in vielen Ländern vorherrschende Fachkräftemangel zu einem gewissen Maß auch auf Fahrlässigkeit der Arbeitgeber zurückzuführen ist, die Stress und Unzufriedenheit zur Normalität erklärt und die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter aus den Augen verloren haben?

Zusammenarbeit ist also der nächste Schlüsselbegriff. Wenn Arbeitnehmern mehr Rechte innerhalb der Planungsprozesse zugestanden werden, müssen sie diese auch wahrnehmen und sich untereinander einigen. Weniger Fremd- und mehr Mitbestimmung erfordert die aktive Mitgestaltung dieser Prozesse und das Auseinandersetzen mit den individuellen Präferenzen. Ihnen zum Trotz, bleibt das Gruppeninteresse vorrangig. Denn die notwendigen Qualifikationen müssen erbracht und die einzelnen Dienste mit der benötigten Mitarbeiterzahl besetzt werden.

Fremdbestimmtheit ist bequem

Das Phänomen, sich mit alten Gewohnheiten anzufreunden, sobald Veränderungen anstehen, ist nicht neu. Auch wenn man sich oft darüber beschwert hat: War man auf eine ungeliebte Schicht geplant, konnte man die Schuld immer dem Dienstplaner zuschieben. Und nun soll man sich freiwillig für die Nachtschicht eintragen, um weiterhin in den Genuss der Zulagen zu kommen? 

Oder umgekehrt Einbußen hinnehmen, weil man ungeliebte Dienste tendenziell lieber vermeidet, wenn man es sich aussuchen darf? Da sind Fremdbestimmtheit, das Beibehalten alter Strukturen und die Rückkehr zu kollektiven Regelungen nahezu verlockend, weil bequemer.

...aber die Nachtzulagen auf der Arbeit wären auch nett gewesen.

Umdenken ist gefragt. Dabei sind nicht alle Modelle zu Mitbestimmung und Selbstplanung gleich radikal. Oftmals genügt schon das Berücksichtigen von individuellen Wünschen durch den Dienstplaner oder das Einteilen von Mitarbeitern in kleinere Organisationseinheiten, um eine Verbesserung der Planungsprozesse zu erreichen. Aber auch kleine Teams haben ihre Tücken: Wenn ihre Mitglieder beispielsweise allesamt schulpflichtige Kinder haben, sind zumindest bei der Urlaubsplanung in der Ferienzeit Konflikte vorprogrammiert.

Selbstplanung mit der SIEDA

Ein Ansatz hierzu ist die neue Wunsch- oder Selbstplanung der SIEDA. Mit ihrer Hilfe erhalten Mitarbeiter mehr Freiheiten bei der Planung und Absprache von Urlauben, Fortbildungen und anderen Abwesenheiten mit Kollegen. Zugleich werden Dienstplaner bei ihrer Arbeit entlastet. Gerne erläutern wir Ihnen unsere Software und deren Möglichkeiten.

Die Moderationskompetenz der Dienstplaner ist - besonders bei Konflikten - bei der Selbstplanung gefragt.

Unsicherheiten abbauen und moderieren

In jedem Fall ist bereits im Planungsstadium eine frühe Miteinbeziehung der Mitarbeiter, der Leitungsebene und des Betriebsrats notwendig, um Betriebsvereinbarungen einbringen, Unsicherheiten abbauen und immer wieder gemeinsam reflektieren zu können, welche Gründe für und welche Bedenken gegen eine Selbstplanung sprechen.

Vorgesetzte sollten daher über eine gewisse Moderationskompetenz verfügen oder diese im Rahmen von Weiterbildungen entwickeln. Ein wichtiger Skill, der auch nach eingeführter Selbstplanung vonnöten ist. Denn gerade in der Anfangszeit werden sich viele Mitarbeiter bei Konflikten – etwa bei der Urlaubsplanung – noch hilfesuchend an den Dienstplaner wenden, statt diese untereinander zu lösen.

Reden hilft

Eine Langzeitstudie der Harvard University zum Thema „Glück“ bestätigt die Bedeutung sozialer Kontakte im beruflichen Umfeld. Dulde man (auch und gerade private) Gespräche unter Mitarbeitern oder fördere sie gar, statt sie zu unterbinden, bauten sie viel einfacher positive Beziehungen zu Kollegen auf. Dies erhöhe nicht nur ihre Zufriedenheit und Arbeitsleistung, sondern beuge auch Isolation und Burnout vor. 

Es liegt außerdem nahe, dass durch diese positiven Beziehungen untereinander auch der gegenseitige Informationsaustausch gefördert wird und das Hintergrundwissen – etwa um persönliche familiäre Verhältnisse – bei der Abstimmung von Urlauben oder Fortbildungen im Rahmen einer Selbstplanung hilfreich ist. Lassen Sie also Ihre Mitarbeiter ruhig auch mal plaudern – zum Wohle Ihres Unternehmens!

Weitere Voraussetzungen für die Selbstplanung

Digitalisierung und die Anbindung verschiedener Tools – soweit noch nicht erfolgt – sind ein Muss bei der Mitbestimmung. Wer möchte schon bei der Abstimmung der Mitarbeiter untereinander die Zettelwirtschaft fort- oder wieder einführen, die hoffentlich in der bisherigen Dienstplanung bereits abgeschafft wurde? Ein Heranführen der Mitarbeiter an die Möglichkeiten der digitalen Planung und Kommunikation zählt somit ebenfalls zu den Anforderungen an deren Vorgesetzte.

Viele Mitarbeiter müssen erstmal von der Zettelwirtschaft an die digitale Planung herangeführt werden.

Auch ein großzügiges Zeitfenster zur Einführung von Selbstplanungsprozessen ist wichtig. Wie schon beschrieben, bringt jede Neuerung zunächst Skepsis mit sich. Hinzu kommt, dass Selbstplanung der Mitarbeiter noch Neuland ist und sich in Deutschland kaum Vorbilder finden. Dann werden nicht nur motivierte Mitglieder der Führungsebene, sondern auch von der Selbstplanung überzeugte Mitarbeiter und Betriebsräte benötigt, um Zweifel auszuräumen, miteinander neue Regelungen auszuhandeln und über die erzielten Erfolge zu reflektieren.

Keine Ausrede zum Schwänzen des Besuchs bei der Schwiegermutter? Zugegeben, Selbstplanung löst nicht alle Probleme.

Hausaufgaben für Mitarbeiter

Doch bedeutet mehr Selbstplanung nicht nur eine Umstellung der Arbeitsstrukturen. Auch die Freizeit der Mitarbeiter will neu organisiert werden, wenn jahrelang festgelegte Arbeitszeitmuster mit einem Male hinfällig sind. 

Sicherlich hat mehr Freiheit gelegentlich auch negative Effekte – etwa, wenn in Ermangelung der einst aufdiktierten Spät- oder Nachtschicht nun eine Ausrede dafür fehlt, den Besuch bei den Schwiegereltern nicht wahrnehmen zu können.

Mit selbstplanerischen Prozessen verhält es sich nämlich ein bisschen wie mit der ersten eigenen Wohnung: Der neu gewonnenen Freiheit und Selbstbestimmtheit steht die Verpflichtung zur Selbstorganisation (und auch mancher Verzicht auf Bequemlichkeit) gegenüber. Diese muss erst erlernt werden. Sonst bleibt ein Dienst schon mal unbesetzt - oder beim Vergleich mit der eigenen Wohnung der Kühlschrank leer.


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