Zugegeben, Darth Vader ist nicht gerade als Vorreiter väterlicher Fürsorge bekannt. Ganz im Gegenteil: Der Bösewicht der „STAR WARS“-Saga bekennt sich erst spät zu seinem Sohn Luke Skywalker, ignoriert seine Tochter völlig und vernachlässigt im Arbeitseifer seine sämtlichen väterlichen Pflichten.
Wer weiß, welche Wendung die Saga genommen hätte, wenn die dunkle Seite der Macht ihm den Aufbau einer frühen Beziehung zu seinen Kindern durch einen Sonderurlaub ermöglicht hätte?
Viele Väter verfolgen nämlich im 21. Jahrhundert ein anderes Lebensmodell. Sie möchten für ihre Sprösslinge wie auch für deren Mutter von Geburt an präsent sein und ihrer Vaterrolle innerhalb der Familie gerecht werden. Wobei die Begriffe Vaterrolle wie auch Vaterschaftsurlaub im Zeitalter von Lebenspartnerschaften und Adoptionen nicht immer perfekt passen. Dazu später mehr.
Als im Jahr 2019 die EU-Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben verabschiedet wurde, sah sie unter anderem vor, dass die EU-Mitgliedsstaaten ein Anrecht auf bezahlten Vaterschaftsurlaub einführen.
Mit diesem möchte die EU die Betreuungs- und Pflegeaufgaben rund um das Neugeborene gleichmäßiger aufteilen und eine ebenso frühe wie enge Bindung zwischen Vätern und Kindern ermöglichen.
Daher müsse der Vaterschaftsurlaub „um den Zeitpunkt der Geburt des Kindes herum genommen werden und eindeutig mit der Geburt – zum Zweck der Erbringung von Betreuungs- und Pflegeleistungen – zusammenhängen“. Die genauen Bedingungen stellte die EU-Kommission hierbei den Mitgliedsstaaten frei.
Der vollständige Titel der EU-Richtlinie lautet „RICHTLINIE (EU) 2019/1158 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 20. Juni 2019 zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige und zur Aufhebung der Richtlinie 2010/18/EU des Rates“.
Zu gering seien die Anreize für Männer, einen gleichwertigen Anteil an diesen Aufgaben zu übernehmen, so das Europäische Parlament, zu stereotyp die Rollenverteilung bei Eltern.
Schließlich entwickelten Männer, die Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben in Anspruch nähmen, nicht nur eine engere Bindung zur Familie. Sie entlasteten auch ihre Frauen, welche überdies ihre unbezahlte Familienarbeit in höherem Maße gegen eine bezahlte Beschäftigung eintauschen könnten.
Für die nationale Umsetzung der Richtlinie zum Vaterschaftsurlaub wurde den EU-Mitgliedsstaaten eine Frist bis zum Sommer 2022 gesetzt. Vorgegeben wurde der Anspruch auf mindestens zehn Arbeitstage Vaterschaftsurlaub, wobei dieser nicht nur Vätern, sondern auch gleichgestellten zweiten Elternteilen gewährt werden müsse.
Die Richtlinie schreibt ausdrücklich vor, dass der Anspruch auf Vaterschaftsurlaub unabhängig vom Ehe- oder Familienstand gewährt wird. Damit möchte man Unterschiede zwischen den Mitgliedsstaaten vermeiden, schließlich sind nicht überall (gleichgeschlechtliche) Lebenspartner den verheirateten Vätern rechtlich gleichgestellt.
Während sich viele Länder sogleich mit der Umsetzung beschäftigten und den Vaterschaftsurlaub fristgemäß ermöglichten, - Finnland zahlt als Spitzenreiter bis zu 54 Tage lang Vaterschaftsgeld und Nachzügler Slowakei gewährt gar bis zu 37 Wochen Vaterschaftsurlaub -, verschob dies die deutsche Bundesregierung zunächst.
Eine der offiziellen Begründungen des Bundesministeriums für Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ): Man wolle kleine und mittlere Unternehmen in einer wirtschaftlich schwierigen Phase nicht überlasten.
"In der gegenwärtigen Krise ist nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Das machen wir später."
Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne), November 2022
Begründung Nummer 2: Die deutsche Elternzeit- und Elterngeldregelung stelle Mütter und Väter bereits besser als EU-rechtlich vorgesehen. Tatsächlich sind innerhalb der EU lediglich vier Monate Elternzeit Pflicht (zwei davon bezahlt), während in Deutschland insgesamt bis zu drei Jahre Elternzeit gewährt werden. Ergo, so die Bundesregierung, sei der Vaterschaftsurlaub eigentlich überflüssig, schließlich könnten Väter ja um die Geburt ihrer Kinder einen Teil ihrer Elternzeit beantragen.
„Das BMFSFJ hebt auf seiner Internetseite hervor, dass Deutschland durch die umfassenden Regelungen zu Elternzeit und Elterngeld nicht verpflichtet ist, die in der EU-Richtlinie vorgegebene zehntägige bezahlte Auszeit für den zweiten Elternteil nach der Geburt des Kindes umzusetzen.“
Deutscher Bundestag/Bundesfamilienministerium
Falsch! sagt dazu die EU-Kommission. Vaterschaftsurlaub sei eben nicht der Elternzeit zuzuordnen, sondern – ebenso wie der Mutterschutz (MuschG) – eine davon unabhängige Regelung. Der EU-Richtlinie sei nachzukommen, Deutschland genieße hier keine Sonderstellung.
Die EU-Kommission hat demzufolge ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland und andere Staaten eingeleitet, die bei Fristablauf der Umsetzung der EU-Richtlinie noch nicht nachgekommen sind.
Der steigende Druck zeigt Wirkung: Die deutsche Bundesregierung plant nun für 2024 die Vorlage eines Gesetzentwurfs zum Vaterschaftsurlaub. Angedacht sind sogar 14 statt der geforderten 10 Tage Vaterschaftsurlaub. Allerdings stellt neben den genannten Gründen vor allem der sogenannte Regulierungsort ein Problem dar, also das Gesetz, innerhalb dessen der Vaterschaftsurlaub verankert wird.
Müttern steht gemäß Mutterschutzgesetz (MuschG) bis zu zwölf Wochen nach der Geburt eine bezahlte Freistellung von der Arbeit zu. Gezahlt wird allerdings kein Gehalt durch den Arbeitgeber, sondern Mutterschaftsgeld durch die Krankenkasse. Je nach der Höhe des während dieser Zeit entfallenden Arbeitslohns zahlt der Arbeitgeber jedoch einen Zuschuss.
Zur Wahl stehen das Mutterschutzgesetz (MuSchG) sowie das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG).
Je nachdem, in welchem der beiden Gesetze der Vaterschaftsurlaub später verankert wird, ist dessen Finanzierung und administrative Ausgestaltung entweder an das Elterngeld oder an das Mutterschaftsgeld mit Arbeitgeberzuschuss angelehnt.
Das Elterngeld ist eine Leistung des Bundes, während das Mutterschaftsgeld von den Gesetzlichen Krankenkassen gezahlt wird.
Die wehren sich natürlich gegen diese Aufwendungen, immerhin beantragten im Jahr 2022 fast 500.000 Väter Elternzeit. Nähmen sie alle zusätzlich 14 Tage lang Vaterschaftsurlaub, fielen Milliardenbeträge für ihren Lohnausgleich an.
Die EU lässt den Mitgliedsstaaten bei der Ausgestaltung des Vaterschaftsurlaubs viel Raum für Detaillösungen. Sie können beispielsweise selbst entscheiden, ob dieser schon vor oder erst nach der Geburt genommen werden kann, ob er an einem Stück genommen werden muss und ob Väter währenddessen in Teilzeit arbeiten dürfen.
Favorit für den Regulierungsort ist zurzeit übrigens das Mutterschutzgesetz, also Kostenübernahme durch die Krankenkassen. Ob deren Beiträge durch die Finanzierung des Vaterschaftsurlaubs langfristig steigen werden, liegt ebenso im Bereich der Spekulationen wie die Frage, ob das durch die EU-Kommission angestrengte Vertragsverletzungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof endet - oder wie viele Väter den Vaterschaftsurlaub letztlich überhaupt in Anspruch nehmen.
Auch wenn dessen Finanzierung teuer wird: Es bleibt zu hoffen, dass viele frischgebackene Väter die Mütter ihrer Kinder entlasten und sich ihnen beim Einstieg in ihre Vaterrolle voll und ganz widmen werden.
Und auch wenn die Organisation des Vaterschaftsurlaubs für manche Unternehmen eine besondere Herausforderung darstellen wird: Emotionale Bindung ist nicht nur im Vater-Kind-Verhältnis ein Erfolgsgarant, sondern auch betriebsintern zum Halten von Fachkräften. Schließlich sorgt die vielbeschworene Work-Life-Balance bekanntermaßen für eine stärkere Identifikation mit dem Unternehmen.
Damit tat sich übrigens auch Darth Vader am Ende seines entbehrungsreichen Lebens schwer – und sah sich Konfrontationen mit Sohn Luke ebenso ausgesetzt wie mit seinem Arbeitgeber.
Vielleicht schafft es der Vaterschaftsurlaub ja, im Leben anderer Väter und Familien für mehr Balance zu sorgen.
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