1. Warum können Stellen nicht besetzt werden?
2. Fehlende Lehrer sorgen für Engpässe
3. Teilzeit als Notlösung - mehr Zeit für die Familie und Freunde
4. Schlechte Bezahlung
5. Damoklesschwert Demographie
6. Was tun? Welche Maßnahmen könnten helfen?
Die Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) sagt aus, dass rein rechnerisch auf 100 offene Stellen nur 21 Bewerber kommen. Der Fachkräftemangel und damit die Nachwuchssorgen in der Pflege ist erheblich . Es fehlt überall an Personal - der Pflegenotstand ein Dauerthema in den Nachrichten und der berliner Politik.
Auch im Jahr 2021 hat sich an dem in diesem Artikel beschriebenen Pflege(fach)kräftemangel nichts geändert. Im Gegenteil: Umfragen zufolge erwägt jede dritte Pflegekraft, den Job zu wechseln, falls sich an den Arbeitsbedingungen nichts ändert. Mehr dazu erfahren Sie in unserem Blog-Beitrag Macht die Pflege endlich attraktiv!
Unbestritten und nicht neu: Das Arbeiten in der Pflege, sowie im Rettungs- und Feuerwehrdienst ist äußerst anstrengend. Doch die Belastung nimmt stetig weiter zu. Jährlich kommen 5-10 % mehr Einsätze hinzu. In Spitzenzeiten ist die Verdopplung bis Verdreifachung des üblichen Arbeitsanfalls möglich, so die Aussage von der Vereinigung zur Förderung des Brandschutzes.
Auch auf den Stationen der Krankenhäuser ist die Belastung groß. In Deutschland kommen im Schnitt 13 Patienten auf eine Pflegekraft. Tendenz steigend.
Ein weiterer zentraler Belastungsfaktor ist die Gewalt, die dem Pflegepersonal und den Rettern im Einsatz entgegenschlägt. Verbal und sogar physisch. Im Rettungsdienst und in der Pflege haben das schon rund 40% der 36 bis 45-jährigen erlebt. In den meisten Fällen mehrfach.
In der Ausbildung von Notfallsanitätern fehlen geeignete Lehrkräfte, wie beispielsweise der DRK-Landesverbands Baden-Württemberg berichtet. Bundesweit gäbe es maximal zehn Ausbilder, die sowohl eine Ausbildung zum Notfallsanitäter als auch pädagogische Qualifikationen hätten. Und das sei für Lehrkräfte inzwischen zwingend vorgeschrieben. Bis 2020 gebe es zwar Übergangslösungen. Doch dann darf kein Ausbilder mehr ohne entsprechende Qualifikation eingestellt werden.
Teilweise hohe Hürden für Einsteiger
Das Berufsbild des Notfallsanitäters ist an die Stelle des Rettungs-Assistenten getreten. Dessen Ausbildung dauerte bisher zwei Jahre und setzte einen Hauptschulabschluss voraus. Der Notfallsanitäter hingegen wird drei Jahre ausgebildet und muss mindestens die mittlere Reife vorweisen. Damit soll er/sie am Einsatzort mehr medizinische Kompetenzen haben. Das entlastet die Notärzte. Die höheren Anforderungen schrecken Berufseinsteiger allerdings ab. Nachwuchssorgen sind die Folge.
Retter & Helfer-Branchen machen sich selbst Konkurrenz
Die höhere Qualifikation sorgt für Fluktuation: Notfallsanitäter gelten als medizinische Fachkräfte. Deshalb dürfen Sie in Krankenhäusern in der Notaufnahme arbeiten. Der Wechsel ist für viele Notfallsanitäter interessant, weil die Arbeit in der Klinik als weniger belastend empfunden wird. Schätzungen sagen, dass ein Drittel der derzeit in der Ausbildung befindlichen Notfallsanitäter später nicht im Rettungsdienst arbeiten werden.
Starre Fokussierung auf junge Arbeitskräfte
Nachwuchs ist eine Seite der Medaille. Wichtig wäre es außerdem, das andere Ende im Blick zu behalten. Es gilt, Ältere länger im Beruf zu halten. In Skandinavien existieren dafür eigens Programme. Die Kompetenz und Erfahrung älterer Pflegekräfte soll dort ganz gezielt genutzt werden. Hierfür gibt es ein Entgegenkommen: Die „Alten“ müssen keine Nachtdienste mehr machen und sind stärker in der Beratung von Patienten und Angehörigen tätig. Sie kümmern sich um Demenzkranke, deren Zahl wächst.
Auch der attraktive Wiedereinstieg für Mütter kann das Defizit an Arbeitskräften zurückfahren. Ein Feld, das bisher kaum bespielt wird.
Für Pflege, Gesundheitswesen, Feuerwehr und Rettungsdienst gilt im Normalfall der Schichtdienst als Arbeitszeitmodell. Problem: Wechselnde Arbeitszeiten und Arbeitstage sind nicht optimal mit dem Familien- und sozialen Leben vereinbar.
Das sorgt dafür, dass viele Pflegekräfte in Teilzeit mit einer niedrigen Stundenzahl tätig sind. Sie wollen sich somit zusätzlichen Freiraum für das Privatleben schaffen, wenn das im Einzelfall finanziell darstellbar ist.
Dennoch sind viele Pflegerinnen und Pfleger überdurchschnittlich häufig krank und oftmals gibt es eine hohe Fluktuation.
Arbeitsabläufe werden aufgebrochen und geteilt
Krankenhäuser oder Pflegeheime gehen aus Effektivitätsgründen dazu über, Arbeitsabläufe wie in einer Fabrik zu zerlegen. Fachkräfte werden nur noch dort eingesetzt, wo es zwingend nötig ist.
Die Lücke füllen Hilfskräfte, die vor allem in Stoßzeiten eingesetzt werden, wenn im Tagesablauf „alle Hände gebraucht werden“. Zum Beispiel in der Mittagszeit oder abends. Übrigens liegt die Teilzeitquote bei sozialen Berufen in Deutschland deutlich über dem europäischen Durchschnitt - vor allem bei Helfertätigkeiten.
Egal um welche Branche es geht. In der Wahrnehmung trifft zu viel Verantwortung auf zu wenig Entlohnung. Die Berufe der Helfer und Retter sind schlichtweg zu schlecht bezahlt.
Die Gehaltsstrukturen in der Pflege schwanken je nach Tarif und Arbeitgeber um bis zu 30 Prozent. Ein/e Krankenpflegehelfer/-in kann zu Beginn der Karriere mit einem Gehalt von ca. 2.000 – 2.100 € rechnen und das im Laufe der Jahre auf bis zu 2.700 – 2.800 € steigern. Als Krankenpfleger/-in startet man bei ca. 2.350 € und kommt bis auf ca. 3.000 € nach fünf Jahren Berufserfahrung.
Hinzu kommen Zeitzuschläge für Überstunden, Nacht- und
Wochenenddienste, die noch einmal 20 – 30 Prozent des Grundgehaltes betragen
können.
Die Berufe in der Altenpflege sind bedingt durch unterschiedliche Trägerstrukturen, Tarife und Eingruppierungen häufig mit ca. 500 € weniger vergütet.
Spezialfall Rettungssaitäter & Notfallsanitäter
Während der Ausbildung zum Rettungssanitäter erhält man keine Vergütung oder ein Gehalt. Ganz im Gegenteil: Für Literatur, Arbeitsmittel und Lehrgänge muss man in vielen Fällen noch selbst aufkommen. Da die Ausbildung zum Rettungssanitäter keinen anerkannten Ausbildungsberuf darstellt, dauert diese aber auch nur drei bis neun Monate. Der Rettungssanitäter verdient ein Einstiegsgehalt von etwa 28.000 € pro Jahr.
Der Notfallsanitäter erhält eine Ausbildungsvergütung. Im dritten Jahr bis zu 1.130 Euro. Als fertig ausgebildeter Notfallsanitäter beträgt das Einstiegsgehalt liegt bei bis zu 2.900 Euro brutto im Monat.
Spezialfall Feuerwehr
Nur ein Teil der bundesweit tätigen Feuerwehren verfügt über hauptberufliche Kräfte. Dies sind besonders die Feuerwehren der größeren Städte. Waren viele Berufsfeuerwehrleute früher Beamte, werden inzwischen immer mehr Feuerwehrleute im öffentlichen Dienst angestellt. Das ist für die Kommunen - vor allem aus finanzieller Sicht und wegen der höheren Flexibilität - attraktiver - für die beschäftigten geht Sicherheit verloren.
Der Großteil der Feuerwehrleute arbeitet ehrenamtlich: Nach Angaben des Deutschen Feuerwehrverbandes verrichten 95 Prozent der rund 1,3
Millionen der Feuerwehrmänner und -frauen in Deutschland ihren Dienst
freiwillig. Jeder kann sich für seine Löschgruppe so einsetzen, wie er es kann.
Der Personalmangel in der Pflege nimmt zu, obwohl die Zahl der Beschäftigten in der Branche steigt. In der Altenpflege waren im vergangenen Jahr knapp 583.000 Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt, gut 20.000 mehr als im Vorjahr. In der Krankenpflege stieg die Beschäftigtenzahl von 1,04 auf 1,06 Millionen.
„Es gibt immer mehr Pflegekräfte. Aber es sind trotzdem noch nicht genug“, sagt Spahn dem Handelsblatt. „Denn der Bedarf unserer älter werdenden Gesellschaft steigt stärker als die Zahl der Pflegekräfte.“
Eins vorweg. Dieser Artikel hat nicht den Anspruch, fertige Lösungen für den Pflegenotstand zu bieten und kann das natürlich auch nicht. Die Herausforderung ist so groß, dass es viele Bausteine braucht, um die zukünftige Versorgung der Bevölkerung durch Pflege, Rettungsdienst und Feuerwehr sicherzustellen. Der erste Schritt ist gemacht. Das Bewusstsein ist da. Es gilt nun, die einzelnen Maßnahmen zu einem Ganzen zusammenzufügen und an den Themen kontinuierlich zu arbeiten. Es gibt viele Potential:
Einstiegsmöglichkeiten verbessern
Neben Verbesserungen bei der Finanzierung ist es aus wichtig, die beruflichen Einstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten in sozialen Dienstleistungen zu verbessern. Es gilt, die unübersichtliche und von Bundesland zu Bundesland unterschiedlichen Ausbildungen (z.b. Pflegehelfer/innen) zu systematisieren. Außerdem ist nach dem Einstieg die Weiterqualifizierung der Hilfskräfte wichtig. Die darf nicht kompliziert, sondern muss attraktiv sein.
Es braucht betriebliche Ausbilder, welche den Nachwuchs an der Hand nehmen – daran herrscht in sozialen Dienstleistungen noch ein erheblicher Mangel.
Arbeitsbedingungen verbessern
Ohne eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen wird man das Problem nicht lösen können. Unzählige Studien aus dem In- und Ausland offenbaren, dass die Unzufriedenheit groß ist. Die Zustände, mit denen sich Pflegerinnen und Pfleger, Helfer und Retter gegenübersehen werden beklagt. Insbesondere die hohen physischen und psychischen Belastungen sind enorm. Es ist einfach nicht genug zeit da, sich mit den individuellen Belange der betreuten oder geretteten Menschen auseinanderzusetzen. Es braucht eine höhere Wertschätzung der Tätigkeit – sowohl von Seiten der Arbeitgeber als auch von der Gesellschaft.
Als Werkzeug für eine bessere Arbeitsbedingungen kann die Digitalisierung einen wertvollen Beitrag liefern, indem zum Beispiel organsiatorische (Dokumentation, Dienstplanung, u.v.a.) oder analytische Prozesse vereinfacht und verschlankt werden. Die Möglichkeiten sind vielfältig. Die oft zitierte Künstliche Intelligenz KI hat hier durchaus das Potential die Branche voranzubringen. Es ist eben nur nicht absehbar, wie schnell sie für wirklich nachdrückliche Entlastung sorgen kann.
Ausländische Fachkräfte anwerben
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wirbt im Ausland aktiv um Pflegefachkräfte, um dem Pflegenotstand beizukommen. Zu diesem Zweck reiste er im vergangenen Jahr bis ins Kosovo und nach Mexiko und unterschrieb eine Absichtserklärung, nach der ausländischen Pflegern unter anderem beschleunigte Anerkennungsverfahren in Aussicht gestellt werden. Mehr über diesen Ansatz und die ersten Erfahrungen mit ausländischen Pflegefachkräften in Deutschland erfahren Sie in unserem Blogbeitrag Viva la Pflege.
Im letzten Jahr reagierte die Polilik. Ende 2018 brachte Jens Spahn bereits sein Pflegepersonalstärkungsgesetz PpSG und die Pflegepersonal-Untergrenzenverordnung PpUGV durch den Bundestag. Die Milliardenpakete sollen 13.000 neue Stellen schaffen und den Pflegebereich in Krankenhäusern und der Alten- und Behindertenpflege spürbar entlasten.
2018 waren bundesweit
knapp 40.000 Pflegestellen unbesetzt
Altenpflegedienste verzeichneten demnach 23.862 Vakanzen für Fachkräfte und Helfer, in der Krankenpflege waren im Jahresdurchschnitt 15.707 offene Stellen gemeldet. Zum Vergleich: Im Jahr 2017 waren 23.300 Stellen in der Altenpflege und 14.700 in der Krankenpflege unbesetzt.
Mit den Gesetzen wurden bereits einige notwendige
Weichenstellungen vorgenommen. Sie müssen jedoch fortgeführt und intensiviert
werden. Die Verantwortlichen in der Gesellschaft, Staat,
Arbeitgeber, Gewerkschaften, Betriebs- und Personalräte, aber auch die Beschäftigten
selbst stehen vor großen Herausforderungen. Ohne einen gesetzlichen Rahmen für eine umfassende Pflegeversorgung,
der zugleich die explodierende Privatisierung zurückführt, wird es nicht funktionieren.
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