In unseren Blog-Artikeln PpUGV – Flop oder Top? Wir analysieren für Sie. und PpUGV – Wie läuft die Umsetzung? Was hat sich getan? haben wir uns seit ihrer Einführung im Jahr 2019 mit dem Thema PpUGV beschäftigt. Der Beitrag PpUGV 2022: Neues Jahr, neue Bereiche enthält neben aktualisierten Daten und neuer Meldebereiche auch weitere Kritikpunkte an der derzeitigen PpUGV.
In der PpUGV sind personelle Untergrenzen für bestimmte, als pflegesensitiv eingestufte Bereiche von Krankenhäusern und Kliniken festgelegt. Sie sollen eine sichere Patientenversorgung gewährleisten und bestimmen die maximale Anzahl von Patienten pro Pflegekraft einer Station.
Beispiel Intensivmedizin:
Während der Tagschicht sind maximal 2 Patienten pro Pflegekraft, in der Nachtschicht maximal 3 Patienten pro Pflegekraft vorgesehen.
Die Definierung solcher Kennzahlen zwischen den Selbstverwaltungspartnern Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG), dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) und dem Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) scheiterte in der Vergangenheit.
Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) erließ daraufhin die Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung (PpUGV), die zum 1. November 2019 in Kraft trat.
Mit dem Pflegepersonal-Stärkungsgesetz (PpSG) vom 11.12.2018 und dem Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) vom 09.08.2019 wurde der Auftrag zur Weiterentwicklung von Pflegepersonaluntergrenzen in pflegesensitiven Krankenhausbereichen gesetzlich verankert.
Die Selbstverwaltungspartner sind gesetzlich beauftragt, weitere pflegesensitive Bereiche und deren Pflegepersonaluntergrenzen festzulegen. Kommt eine solche Vereinbarung nicht zustande, sieht das Gesetz eine Ersatzvornahme durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) vor.
Die Coronavirus-Pandemie erzwang eine sehr kurzfristige Anpassung der Arbeitsabläufe und der personellen Vorgaben in den Krankenhäusern. Da die medizinische Versorgung der Covid-19-Patienten Vorrang vor den Planungs- und Dokumentationspflichten der Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung genoss, wurde die PpUGV im vergangenen Jahr gemäß Ausnahmetatbestand (§ 7 Satz 1 Nummer 2 PpUGV) befristet ausgesetzt.
Seit Mai 2020 kehrten die Kliniken schrittweise wieder in den Regelbetrieb zurück. Die Pflegepersonaluntergrenzen für die Bereiche Intensivmedizin und Geriatrie traten somit zum 1. August 2020, die anderer Pflegebereiche zum Februar 2021 wieder in Kraft.
Außerdem wurden zu den bereits seit 2019 als pflegesensitiv eingestuften Bereichen Intensivmedizin, Geriatrie, Kardiologie, Herzchirurgie, Unfallchirurgie, Neurologie, Neurologische Schlaganfalleinheit (Stroke-Units) und Neurologische Frührehabilitation folgende Bereiche hinzugefügt:
In diesem Jahr sollen außerdem Pflegepersonaluntergrenzen für die Bereiche Orthopädie sowie Gynäkologie und Geburtshilfe festgelegt und im Bereich der Pädiatrie eine fachspezifische Differenzierung der Untergrenzen vorgenommen werden.
Pflegesensitiver Bereich | Tagschicht | Nachtschicht |
---|---|---|
Intensivmedizin | 2 | 3 |
Geriatrie | 10 | 20 |
Kardiologie | 10 | 22 |
Herzchirurgie | 7 | 15 |
Unfallchirurgie | 10 | 20 |
Neurologie | 10 | 20 |
Neurologische Schlaganfalleinheit (stroke units) | 3 | 5 |
Neurologische Frührehabilitation | 5 | 12 |
Allgemeine Chirurgie | 10 | 20 |
Innere Medizin | 10 | 22 |
Pädiatrie | 6 | 10 |
Pädiatrische Intensivmedizin | 2 | 3 |
Hinweis: Im Beitrag PpUGV 2022: Neues Jahr, neue Bereiche finden Sie die aktualisierten Daten für die ab 2022 erweiterten und untergliederten Meldebereiche.
Das Bundesministerium für Gesundheit sieht vor, dass die Einhaltung der Untergrenzen durch unabhängige Buch- und Wirtschaftsprüfer bestätigt werden. Krankenhäuser, die sich nicht an die Vorgaben halten und die Grenzen unterschreiten, müssen Vergütungsabschläge hinnehmen.
Für die Abrechnung von allgemeinen Krankenhausleistungen ist das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) zuständig. Die Einhaltung der Pflegepersonaluntergrenzen wird anhand einer quarteilsweise zu erstellenden Nachweisvereinbarung geprüft, die nach § 11 KHEntgG an das InEK und die örtlichen Vertragsparteien übermittelt wird.
Gute Dienstplan-Software bezieht die gesetzlich vorgegebenen Pflegepersonaluntergrenzen automatisch in die tägliche Planung mit ein - wie der OC:Planner der SIEDA GmbH.
Mit seiner Hilfe können Belegungs- und Besetzungsdaten ausgewertet werden. Die geforderte Prüfung durch Wirtschaftsprüfer wird unterstützt und Sie können die Daten einfach in das Meldeformular der InEK übertragen. So liefern Sie diese fristgerecht und minimieren gleichzeitig Ihren Dokumentationsaufwand.
Sollten Sie das Krankenhausinformationssystem (KIS) ORBIS verwenden, bietet der OC:Planner sogar noch mehr: Per Knopfdruck werden die Belegungsdaten mit Hilfe einer speziellen Schnittstelle importiert sowie gemäß der definierten, meldepflichtigen Bereiche aufbereitet und ausgewertet.
OC:Planner wird bereits in mehr als 300 Kliniken in Deutschland täglich verwendet.
Natürlich liegt eine gute Patientenversorgung auch im Interesse der Kliniken. Die Pflegepersonaluntergrenzen zwingen diese allerdings oftmals zu Neueinstellungen oder der Reduzierung der Patientenbetten. Was nicht nur die Wirtschaftlichkeit des jeweiligen Krankenhauses senkt, sondern auch zu medizinischen Versorgungsengpässen führen kann. Genau die sollen aber durch die PpUGV ja eigentlich vermieden werden.
Der Bundesverband deutscher Privatkliniken e.V. kritisiert die PpUGV denn auch in mehrfacher Hinsicht. So unterlägen orthopädische Abteilungen mit operativem Schwerpunkt zwar der Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung, die dort tätigen Physio-, Schmerz- oder Psychotherapeuten würden aber nicht mit angerechnet. Es drohe deshalb eine Einschränkung des Versorgungsangebots.
Die PpUGV erschwere durch aufwändige Planungs- und Dokumentationspflichten die täglichen Abläufe und das Reagieren auf einen veränderten Versorgungsbedarf, beispielsweise während der Corona-Pandemie. Auch hätten sich die Pflegepersonaluntergrenzen nicht als wirksames Instrument zur Lösung des chronischen Personalmangels erwiesen, dessen Ursachen wir jüngst in unserem Blog-Beitrag Pflegenotstand 2021: Macht die Pflege endlich attraktiv! beschrieben haben.
Auch von anderer Seite hagelt es Kritik an der „Verordnung zur Festlegung von Pflegepersonaluntergrenzen in pflegesensitiven Bereichen in Krankenhäusern für das Jahr 2021“, so der offizielle Name der Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung PpUGV. Die Gewerkschaft ver.di bemängelt, dass diese nicht auf eine gute Pflege abziele, sondern lediglich eine Minimalbesetzung vorschreibe, um eine „patientengefährdende Pflege“ zu verhindern.
Die Pflegepersonaluntergrenzen orientierten sich dabei jedoch am Personalbestand der am schlechtesten besetzten Kliniken, so ver.di. Solche Minimalbesetzungen würden in der Praxis oftmals zur Normalität gemacht, erlebten sie doch durch die PpUGV sozusagen eine Legitimierung. Schlimmer noch, habe der Gesetzgeber mit den Untergrenzen sogar Anreize gesetzt, die Besetzung der personell besser ausgestatteten Bereiche auf das Maß der Pflegepersonaluntergrenzen herabzusetzen.
Eine bedarfsgerechte und ausreichende Personalbesetzung sei jedoch nicht nur für die Pflege der Patienten unerlässlich, sondern auch für die Pflegekräfte selbst. Insbesondere im Hinblick auf den Mangel an Pflege(fach)kräften müsse die Verbesserung der Arbeitsbedingungen mehr Berücksichtigung finden und Überlastung verhindert werden, um Ausfällen vorzubeugen.
Personelle Untergrenzen gelten übrigens nicht nur in der Pflege, sondern auch im Bereich Psychiatrie und Psychosomatik - dort geregelt durch die Richtlinie PPP-RL. Mit deren Regelungen, ihrer problembehafteten Umsetzung und der teils heftigen Kritik beschäftigt sich unser Blog-Artikel PPP-RL: Das Leben ist eine Baustelle.
In der PpUGV sei bislang noch immer kein Verfahren zur Ermittlung des tatsächlichen Pflege-und Personalbedarfs enthalten. Daher hat ver.di gemeinsam mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) und dem Deutschen Pflegerat (DPR) ein Instrument zur Personalbemessung für die Pflege auf der Grundlage der Pflege-Personalregelung (PPR) entwickelt, das Ende 2019 an 44 Krankenhäusern erprobt wurde. Diese PPR 2.0 ist als Interimslösung gedacht und kann auch in die digitale Datenverarbeitung des Krankenhauses eingebunden werden.
Die Bedienung sei einfach, selbsterklärend und bürokratiearm und die PPR 2.0 beschränke sich nicht auf pflegesensitive Bereiche, sondern beziehe alle Stationen eines Krankenhauses ein, so die Beteiligten. Dies führe zu einer besseren Abdeckung des tatsächlichen Versorgungsbedarfs und einer Verbesserung der Versorgungsqualität sowie der Arbeitsbedingungen in der Pflege.
Noch immer bestehe laut ver.di gegenwärtig das Risiko der Personalverlagerungen aus Bereichen, die nicht als pflegesensitiv eingestuft und von Pflegepersonaluntergrenzen erfasst sind. Auch Verlegungen von Patienten aus pflegesensitiven in andere Bereiche werde nach wie vor nicht wirksam begegnet.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) sieht in den Pflegepersonaluntergrenzen „ein von Misstrauen geprägtes,starres Instrument“, welches weder den Patienten noch den Pflegekräften helfe.
Die Einführung der PpUGV habe laut Studien in 80 % der Krankenhäuser nicht zu einer Verbesserung der Personalausstattung geführt. Ihre Einhaltung mache im Gegenteil kurzfristige Dienstplanänderungen und Abrufe aus der arbeitsfreien Zeit notwendig.
Krankenhäuser, welche ihre Intensivkapazitäten aufgestockt haben, seien durch die PpUGV benachteiligt und würden bei Unterschreitung der Pflegepersonaluntergrenzen potentiell sanktioniert. Die DKG empfindet die Vorgaben des Gesundheitsministeriums als überzogen und prophezeit mittelfristig eine Einschränkung von Versorgungskapazitäten – beispielsweise in der Pädiatrie – sowie einen „ruinösen Wettbewerb um qualifiziertes Personal“.
Schon heute fehlen laut Studien in deutschen Krankenhäusern Pflegekräfte im hohen fünfstelligen Bereich. Der Pflegereport der Bertelsmann-Stiftung rechnet aufgrund der demografischen Entwicklung bis zum Jahr 2030 sogar mit insgesamt 500.000 fehlenden Vollzeitkräften in Pflegeberufen. Zu hoch sind deren physische und psychische Anforderungen, zu gering die Anreize für Berufsanfänger und Wiedereinsteiger.
Der sich verschärfende Pflege(fach)kräftemangel wird also in den kommenden Jahren auch unabhängig von der PpUGV ein zentrales Thema der Gesundheitspolitik sein – oder sollte es zumindest werden. Denn die Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung und Instrumente zur Personalbemessung wie die PPR 2.0 können nur dann die Zustände in der Pflege verbessern, wenn auch genügend Pflegekräfte auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen.
In unserem Blog-Beitrag Pflegenotstand 2021: Macht die Pflege endlich attraktiv! behandeln wir die Gründe für den Pflegekräftemangel und den Wechsel vieler Fachkräfte in andere Berufe. Auch haben wir den Lösungsansatz der Bundesregierung verfolgt, zusätzliche Pflegekräfte im Ausland anzuwerben, beispielsweise im Kosovo und in Mexiko: Viva la Pflege! Der leidige Fachkräftemangel.
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Ich arbeite auf einer 9 Betten Palliativstation und muss aufgrund der Personaluntergrenzen neun am lebensende angekommen Menschen versorgen.Schwerkranke höchstpflegebedürftige Menschen mit all ihren Bedürfnissen .Eine Palliativstation leistet Hospizarbeit.
Die Palliativstation muss dringend bei der Personaluntergrenze mit berücksichtigt werden und sollte sich an der Empfehlung der Gesellschaft der Palliativmedizin orientieren,dringend.Es ist eine hochaufwendige Pflege.